Essen. Der WDR reist für die Reihe „Unser Land“ zurück in die 70er-Jahre. Zweieinhalb Monate zeigt der Sender einen unterhaltsamen Rückblick.

Auch beim WDR ist gerade Reisezeit. Der Sender fährt in den kommenden zweieinhalb Monaten allerdings nicht in ferne Länder, sondern durch die Zeit und landet an zehn Freitagabenden im Jahrzehnt der Pril-Blumen und Schlaghosen. Herausgekommen ist am Ende, so viel darf man sagen, ein sehr unterhaltsamer Rückblick auf „unser Land in den 70ern“.

Es ist ja nicht der erste Ausflug in eine Zeit, in der Twix noch Raider hieß und Videospiele aus zwei Balken und einem kleinen Viereck bestanden. Es ist aber der mit Abstand umfangreichste. Denn der WDR widmet jedem Jahr in dieses Jahrzehnts eine eigene Folge und konnte für die Reihe zehn mehr oder weniger prominente Persönlichkeiten aus Nordrhein-Westfalen als Paten und Sprecher der Filme gewinnen. Unter anderem sind die Moderatoren Steffi Neu, Lutz van der Horst, Sabine Heinrich und Micky Beisenherz oder Schauspielerin Annette Frier dabei und erzählen die Geschichten und Ereignisse ihres Geburtsjahres – und die meisten machen das recht gut.

In Deutschland wüten Pocken

So wie heute zum Auftakt Esther Schweins, Jahrgang 1970 und geboren in Oberhausen. Das Jahr, in dem sie das Licht der Welt erblickt, es ist ein Jahr, in dem das Wetter verrückt spielt. In dem der Winter so kalt und schneereich ist wie lange nicht mehr und es den ganzen Sommer über stürmt. Es ist das Jahr, in dem Borussia Mönchengladbach Deutscher Meister wird und Heinz Kühn Ministerpräsident bleibt. In dem der Kölner Flughafen eröffnet wird, und das Schauspielhaus in Düsseldorf. Und in dem tief im Sauerland, in Meschede, die eigentlich in Deutschland damals längst ausgestorbenen Pocken wüten.

Es sind aber nicht nur die großen Ereignisse, an die die Reihe erinnert. Es sind auch die längst vergessenen Jubiläen: der erste Opel Manta, der in Bochum vom Band läuft, die große Demo vor der Dortmunder Reinoldikirche, die nicht etwa den Abbau von Arbeitsplätzen verhindern will, sondern die Verbreitung des Maxi-Rocks. Und es sind auch nicht nur die Promis jener Zeit, die die Filmemacher vor die Kamera holten, es sind auch weniger bekannte Zeitzeugen. Menschen, welche die Geschichte NRWs und damit oft auch die Deutschlands nicht nur hautnah miterlebten, sondern sogar ein mitgeprägt haben.

Autoren stöberten in privaten Archiven

Durch diese Erinnerungen lässt die Dokumentation die Vergangenheit wieder lebendig werden – vom Bundesliga-Skandal über die Ölkrise bis hin zu TV-Spektakeln wie dem „Millionenspiel“. Manche Bilder kennt man, andere hat man noch nie oder ewig lange nicht mehr gesehen. Denn die Autoren haben ganz tief in öffentlichen und privaten Archiven gestöbert.

So sitzt man als Zuschauer auf dem Sofa oder im Sessel, schwelgt schnell in eigenen Erinnerungen und sagt Sätze wie „Weißt du noch?“ oder „Kinder, wie die Zeit vergeht“. Sehr viel entspannter lässt sich kaum ins Wochenende starten.

Fazit: Wunderbare Zeitreise, die man am besten in größerer Runde gucken sollte.

Freitag, 11. August, WDR, 20.15 Uhr