Köln. Die „Lindenstraße“ pausiert erstmals für fünf Wochen und nährt dadurch Spekulationen. Fans bangen um die Zukunft der ARD-Kultserie.

Die Nachricht überraschte die Fans: Erstmals in ihrer mehr als 30-jährigen Geschichte macht die Dauerserie „Lindenstraße“ Sommerpause. Genau fünf Wochen lang ist nichts von Mutter Beimer, Gabi Zenker oder Momo Sperling zu sehen.

Ist das der Anfang vom Ende des Dauerbrenners, der seit 1985 die bundesrepublikanische Wirklichkeit nicht nur abbildet, sondern längst Teil davon geworden ist? Unter vielen Fans ist jedenfalls das große Zittern ausgebrochen, wie sich in den sozialen Netzwerken zeigt. Kein Wunder, denn schon seit Jahren wird über das Ende der „Lindenstraße“ spekuliert, die Familienserie von Hans W. Geißendörfer wurde schon oft totgesagt. Am Sonntag flimmert zur gewohnten Zeit um 18.50 Uhr im Ersten die letzte Folge der Serie (Episode 1637: „Eins, zwei, cha cha cha“) vor der Sommerpause über den Bildschirm, weiter geht es erst am 20. August.

Beim WDR in Köln, der die Serie über eine ganz normale Straße und ihre Bewohner in München produziert, will man von einer Krise oder gar einer baldigen Einstellung nichts wissen. WDR-Sprecherin Kathrin Hof nennt es auf Anfrage „Kreativpause im Sommer“ und betont: „Während der Ferien ist das ja nichts Ungewöhnliches, und auch andere Sendereihen legen eine Pause ein.“

Serie hat zuletzt viele Zuschauer verloren

Einen „Einspareffekt“, den der Verzicht mit sich bringe, bestreitet Hof keineswegs; dass der „Lindenstraße“ in der Sommerpause Zuschauer weglaufen, glaubt sie nicht: „Unsere ‚Lindenstraße‘-Fans sind sehr treue Zuschauer, aber auch offen für Neues.“

Highlights aus 30 Jahren Lindenstraße

„Herzlich Willkommen“: In der ersten Folge gibt es vorweihnachtliche Hausmusik bei Familie Beimer (v.l.: Moritz A. Sachs, Joachim Hermann Luger, Marie-Luise Marjan, Ina Bleiweiß, Christian Kahrmann). Mutter Beimer (mit Flöte) und ihr Sohn Klaus (vorne links) sind bis heute mit dabei.
„Herzlich Willkommen“: In der ersten Folge gibt es vorweihnachtliche Hausmusik bei Familie Beimer (v.l.: Moritz A. Sachs, Joachim Hermann Luger, Marie-Luise Marjan, Ina Bleiweiß, Christian Kahrmann). Mutter Beimer (mit Flöte) und ihr Sohn Klaus (vorne links) sind bis heute mit dabei. © dpa | WDR/Engelmeier
Der Erfinder der „Lindenstraße“, Hans W. Geißendörfer, nahm sich die real existierende Lindenstraße in Ummendorf bei Biberach in Oberschwaben zum Vorbild. Die Serie spielt n München, der Drehort aber ist Köln-Bocklemünd.
Der Erfinder der „Lindenstraße“, Hans W. Geißendörfer, nahm sich die real existierende Lindenstraße in Ummendorf bei Biberach in Oberschwaben zum Vorbild. Die Serie spielt n München, der Drehort aber ist Köln-Bocklemünd. © ARD/WDR
Dem sozialkritischen Anspruch ihrer Serie kamen die Macher nach: in Folge 68 geben sich Gerd (Günter Barto) und Carsten (Georg Uecker) den ersten schwulen Kuss im deutschen Fernsehen.
Dem sozialkritischen Anspruch ihrer Serie kamen die Macher nach: in Folge 68 geben sich Gerd (Günter Barto) und Carsten (Georg Uecker) den ersten schwulen Kuss im deutschen Fernsehen. © ARD/WDR
Ebenfalls ein Thema der Serie: Drogenmissbrauch. In Folge 270 fleht Frank (Christoph Wortberg, rechts) Carsten (Georg Uecker) an, ihm den
Ebenfalls ein Thema der Serie: Drogenmissbrauch. In Folge 270 fleht Frank (Christoph Wortberg, rechts) Carsten (Georg Uecker) an, ihm den "goldenen Schuss" zu geben, der Entzug ist härter als erwartet. © ARD/WDR
Auch die Probleme von Arbeitslosigkeit werden aufgegriffen: In Folge 374 macht sich Anna (Irene Fischer) Sorgen um Hans (Joachim Hermann Ludger), der immer noch keinen neuen Job gefunden hat.
Auch die Probleme von Arbeitslosigkeit werden aufgegriffen: In Folge 374 macht sich Anna (Irene Fischer) Sorgen um Hans (Joachim Hermann Ludger), der immer noch keinen neuen Job gefunden hat. © ARD/WDR
Manche Schauspieler sind von ganz klein auf dabei: Sarah (Julia Stark) wird am 22. Oktober 1987 als Tochter von Anna (Irene Fischer) und Friedhelm Ziegler (Arnfried Lerche) in München geboren (Folge 100).
Manche Schauspieler sind von ganz klein auf dabei: Sarah (Julia Stark) wird am 22. Oktober 1987 als Tochter von Anna (Irene Fischer) und Friedhelm Ziegler (Arnfried Lerche) in München geboren (Folge 100). © ARD/WDR
Etwa 23 Jahre später, in Folge 1293, bespricht sie mit ihrer Film-Mutter ihre Sorgen.
Etwa 23 Jahre später, in Folge 1293, bespricht sie mit ihrer Film-Mutter ihre Sorgen. © ARD/WDR
Auch Iffi (Rebecca Siemoneit-Barum) und Klaus Beimer (Moritz A. Sachs) sind, bis auf kurze Unterbrechungen, seit Kindheitstagen mit dabei und lassen die Zuschauer an ihrem Großwerden teilhaben.
Auch Iffi (Rebecca Siemoneit-Barum) und Klaus Beimer (Moritz A. Sachs) sind, bis auf kurze Unterbrechungen, seit Kindheitstagen mit dabei und lassen die Zuschauer an ihrem Großwerden teilhaben. © ARD/WDR
Klaus Beimer (Moritz A. Sachs, rechts) hat eine schwere Phase in seiner Jugend und wendet sich der rechtsextremen Szene zu. In Folge 375 wird er in eine rechtsradikale Vereinigung aufgenommen.
Klaus Beimer (Moritz A. Sachs, rechts) hat eine schwere Phase in seiner Jugend und wendet sich der rechtsextremen Szene zu. In Folge 375 wird er in eine rechtsradikale Vereinigung aufgenommen. © ARD/WDR
Iffi (Rebecca Siemoneit-Barum) verliebt sich derweil in Momo (Moritz Zielke), und ab Folge 441 sind sie stolze Eltern ihres Sohnes Nicolai
Iffi (Rebecca Siemoneit-Barum) verliebt sich derweil in Momo (Moritz Zielke), und ab Folge 441 sind sie stolze Eltern ihres Sohnes Nicolai "Nico" Zenker. © ARD/WDR
Til Schweiger war von Folge 220 bis 294 als Jo Zenker dabei. In Folge 281 schenkt ihm Walze (Nadine Spruß) ein Pazifismus-T-Shirt zum Geburtstag. Nach dem erfolgreichen Kino-Debüt Schweigers mit „Manta, Manta“ verließ er die Lindenstraße.
Til Schweiger war von Folge 220 bis 294 als Jo Zenker dabei. In Folge 281 schenkt ihm Walze (Nadine Spruß) ein Pazifismus-T-Shirt zum Geburtstag. Nach dem erfolgreichen Kino-Debüt Schweigers mit „Manta, Manta“ verließ er die Lindenstraße. © ARD/WDR
Der „Penner Harry“ (Harry Rowohlt, hier zusammen mit  Ludwig Haas und Amorn Surangkanjanajai) spielte über 18 Jahre in der Lindenstraße mit. Der Schauspieler starb erst vor kurzem.
Der „Penner Harry“ (Harry Rowohlt, hier zusammen mit Ludwig Haas und Amorn Surangkanjanajai) spielte über 18 Jahre in der Lindenstraße mit. Der Schauspieler starb erst vor kurzem. © ARD/WDR
Auch legendär: das Restaurant „Akropolis“ der Familie Sarikakis. In der Folge 258 feiern Carsten und Zorro mit Familie Sarikakis (v.l.: Thorsten Nindel, Kostas Papanastasiou, Georg Uecker, Hermes Hodolides und Domna Adamopoulou).
Auch legendär: das Restaurant „Akropolis“ der Familie Sarikakis. In der Folge 258 feiern Carsten und Zorro mit Familie Sarikakis (v.l.: Thorsten Nindel, Kostas Papanastasiou, Georg Uecker, Hermes Hodolides und Domna Adamopoulou). © ARD/WDR
Ebenfalls mit dabei von Beginn an bis heute: Dr. Ludwig Dressler (Ludwig Haas), hier in Folge 1558...
Ebenfalls mit dabei von Beginn an bis heute: Dr. Ludwig Dressler (Ludwig Haas), hier in Folge 1558... © ARD/WDR
...sowie Mutter Beimer (Marie-Luise Marjan, zusammen mit Bill Mockridge).
...sowie Mutter Beimer (Marie-Luise Marjan, zusammen mit Bill Mockridge). © ARD/WDR
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Mit der Treue ist das freilich so eine Sache, schließlich sind der „Lindenstraße“ in den vergangenen Jahren viele Zuschauer abhandengekommen: Schalteten Mitte der 1990er-Jahre noch an die neun Millionen Personen ein, waren es 2017 bislang noch etwas über 2,3 Millionen Fans, auch der schwache Marktanteil von 8,6 Prozent gibt Anlass zur Sorge. Produzent Geißendörfer macht immer mal wieder fehlende Werbung für den Quotenschwund verantwortlich und beklagt sich zuweilen, dass der WDR nicht offensiver für die „Lindenstraße“ trommelt.

„Die Quoten der Serie haben wir natürlich im Blick“, räumt Kathrin Hof vom WDR ein. Nicht unterschätzt werden dürfe dabei aber „die wachsende Zahl der ‚Lindenstraße‘-Zuschauer online und in der ARD-Mediathek“.

Am 20. August geht es weiter

Doch wie geht es weiter? Im Augenblick sei es noch zu früh, Fragen zur mittel- oder langfristigen Entwicklung der Serie zu beantworten, sagt die WDR-Sprecherin. Der aktuelle Vertrag zwischen dem Sender und der von Hans W. Geißendörfer und seiner Tochter Hana Geißendörfer geleiteten Produktionsfirma läuft noch bis 2019. Für Geißendörfer ist der Dauerbrenner nach wie vor einmalig: „Ich glaube, die ‚Lindenstraße‘ ist die einzige Serie, die sich um die Ereignisse in diesem Land kümmert“, sagt der Produzent.

In der ersten Episode nach der Pause, „Engelchen flieg“ am 20. August, werden nicht wie gewohnt drei Handlungsstränge parallel abgearbeitet, sondern nur ein einziger, der sich um die Erlebnisse der Familie Sperling in den vorangegangenen Wochen dreht.