Essen. In dem ARD-Film „Die Maßnahme“ erschleicht sich ein Ermittler das Vertrauen eines Verdächtigen. Der Krimi wird zum Beziehungsdrama.

Ein Hund stromert über einen Bauernhof, schnüffelt ein bisschen herum und wird schließlich mit einem Stück Wurst angelockt. Zunächst bleibt er noch auf Abstand, dann kann er nicht länger widerstehen. Doch plötzlich versetzt der Mann mit der Wurst dem Tier einen gewaltigen Tritt. Dramaturgisch ist diese Ouvertüre brillant. Denn der so eingeführte Charakter beginnt dadurch zwangsläufig im Minus. Werner ist ein wortkarger Einzelgänger, sein Hof ist völlig heruntergekommen, er lebt mehr oder weniger im Müll.

Aber selbst dieser verschrobene und von den Arbeitskollegen bei einer Schrottverwertungsfirma gemiedene Mann sehnt sich nach Aufmerksamkeit und Zuwendung. Genau deshalb wird es ihm am Ende der Geschichte genauso ergehen wie dem Hund. „Die Maßnahme“, Regiedebüt von Alexander Costea, ist eine der vielen Kinokoproduktionen der ARD, die zwar auf diversen Festivals, aber nie im Kino gelaufen sind und nun innerhalb der Reihe „Debüt im Ersten“ ausgestrahlt werden.

Spurlos verschwunden

Gut so. Denn gerade Costeas Arbeit, die als Abschlussarbeit für die Münchener Filmhochschule produziert wurde, ist für ein größeres Publikum interessant. Die Handlung entspricht zunächst der eines Krimis, doch erzählt der Film bald vielmehr die Folgen einer Vorverurteilung: Werner (Aljoscha Stadelmann) wird von der Polizei verdächtigt, vor drei Jahren die 17-jährige Lucy ermordet zu haben. Die Frau ist spurlos verschwunden. Es ist zwar bekannt, dass er Lucy mochte und ihr sogar nachgestellt hat, aber es gibt keinerlei Indizien, die ihn belasten; trotzdem halten ihn alle für einen Mörder.

Eines Tages bekommt Werner einen neuen Kollegen. Roland (Max Wagner), offenes Gesicht und leutselig, drängt sich ihm förmlich auf. Werner bleibt erst auf Distanz, doch bald gewinnt Roland das Vertrauen des Eigenbrötlers – und verfolgt damit einen Plan: Der junge Mann ist verdeckter Ermittler, er soll Werner dazu bringen, die Tat zu gestehen. Costea lässt die wahre Identität des neuen Freundes zwar eine Weile offen, deutet aber schon früh an, dass Roland etwas im Schilde führt.

Anrührende Szenen

Der Filmemacher widersteht jedoch auch weiterhin der Versuchung, seine Geschichte als Krimi zu erzählen; stattdessen beschreibt er mithilfe vieler anrührender Szenen, wie
Roland den Einsiedler nach und nach aus der Reserve lockt. Als sich der neue Freund schließlich sogar für den kauzigen Werner verprügeln lässt, hält dieser das für den Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Weil er sich ausschließlich auf die beiden Männer konzentriert, gelingt Costea ein fesselndes Beziehungsdrama, dessen Reiz besonders in der gegenläufigen Entwicklung der beiden Hauptdarsteller liegt: Werner bleibt zwar ein Sonderling, wirkt aber eher schrullig als bedrohlich. Roland wiederum wird als Sympathieträger eingeführt, doch je mehr er Werners Vertrauen gewinnt, desto fragwürdiger erscheinen seine Methoden.

Fazit: Mit seiner distanzierten Kameraführung entwickelt dieses Ausnahme-Regiedebüt eine düstere Dynamik.

ARD, Dienstag, 4. Juli, 22.45 Uhr