Berlin. Zu Beginn des ARD-Films „Atempause“ stirbt unerwartet der neunjährige Hannes. Das Drama erzählt von der Suche der Eltern nach Halt.

Es scheint ein harmloser Sportunfall zu sein, vielleicht eine kleine Gehirnerschütterung. Die Diagnose im Krankenhaus ist umso niederschmetternder: Als der neunjährige Hannes beim Fußballturnier einen Ball vor den Kopf bekommt, platzt durch den Aufprall ein angeborenes Aneurysma. Eine Operation ist nicht mehr möglich.

Alle Apparatemedizin kann am Hirntod des Jungen nichts ändern. Der Arzt regt an, nach Abschalten der lebenserhaltenden Geräte eine Organspende in Betracht zu ziehen. Von einer Minute auf die andere sind die Angehörigen in einen Alptraum versetzt, aus dem es kein erlösendes Erwachen zu geben scheint, weil er so unfassbar real ist.

Ohne Effekthascherei und Klischeebelastung

Wie suchen, wo finden Menschen seelischen Halt, wenn das Leben abrupt aus den Fugen geraten ist und nichts mehr so sein kann wie früher? Der im Rahmen der ARD-Themenwoche „Woran glaubst Du?“ gezeigte MDR-Fernsehfilm „Atempause“ ist in seiner Intensität einer der seltenen Glücksfälle für alle Zuschauer, die mehr erwarten als leichte Unterhaltung.

Esther Baumann (Katharina Marie Schubert) hofft am Bett ihres Sohnes Hannes Baumann (Mikke Rasch) auf ein Wunder.
Esther Baumann (Katharina Marie Schubert) hofft am Bett ihres Sohnes Hannes Baumann (Mikke Rasch) auf ein Wunder. © dpa | Volker Roloff

Von Christian Schnalke stammt das Drehbuch, das ohne Effekthascherei und Klischeebelastung daherkommt. Die Regisseurin Aelrun Goette entwickelt aus der Vorlage ein beklemmend dichtes Kammerspiel. Immer wieder sucht die ruhige Kamera, die gern in der Totale verharrt, die Gesichter der Protagonisten. Gerade diese Großaufnahmen zeigen, welch hervorragendes Ensemble hier zum Einsatz kommt.

Blicke offenbaren die Seelenlage

Insbesondere bei Katharina Marie Schubert (Mutter) und Carlo Ljubek (Vater) könnte man dann getrost den Ton abschalten – mit einem Blick, mit einem minimalen Wechsel des Gesichtsausdrucks öffnen die beiden Darsteller auch ohne Worte ein ganzes Kompendium der Gefühls- und Seelenlagen.

Ein kleiner Seitenstrang fügt sich wie selbstverständlich in das Drama ein: Als der Sohn einer türkischen Familie ebenfalls auf die Intensivstation verlegt wird, entsteht für kurze Zeit eine Nähe über die Kulturen hinweg.

Der Film ist exzellent besetzt

Von den Großeltern (Jürgen Heinrich, Irene Rindje) über die Ärzte (Ronald Kukulies, Matthias Brenner) und die türkische Familie (Ozgür Karadeniz, Ivan Anderson) bis zu den Stationsschwestern Lisa und Maria (Luise Heyer, Julia Jäger) ist der Film überaus exzellent besetzt.

Als Lisa die seelische Belastung nicht mehr auszuhalten glaubt und ihren Klinik-Job aufgeben will, hält die ältere Kollegin dagegen. Das Leben werde zwar intensiver, aber: „Ich finde, das hier ist ’ne ehrliche Welt.“ Leicht abgewandelt lässt sich dieser Satz als Kompliment auf „Atempause“ anwenden.

Fazit: Dieses beklemmende Kammerspiel müsste im nächsten Jahr eigentlich zu den Anwärtern auf einen Grimme-Preis gehören.

• Mittwoch, 14. Juni, 20.15 Uhr, ARD: „Atempause“