Berlin. Im „Tatort“ geht es um Vorurteile gegenüber Homosexuellen. Dass Lesben und Schwule benachteiligt werden, ist noch immer Wirklichkeit.
In „Amour fou“ mussten sich die Berliner „Tatort“-Kommissare Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) durch ein Dickicht aus Gerüchten und Vorurteilen schlagen. Zielscheibe der Verleumdungen war der homosexuelle Lehrer Enno Schopper, der sich dem Schüler Duran Bolic (Justus Johanssen) sexuell genähert haben soll. Beide stritten das ab. Trotzdem wurde Schopper beurlaubt – und dann offenbar erschlagen und verbrannt.
Bis die Ermittler herausfanden, dass nicht nur der Missbrauchsvorwurf haltlos war, sondern auch dem Mord eine ganz andere Erklärung zugrunde lag als gedacht, zeichnete der Berliner „Tatort“ ein Bild eines Landes, in dem Homosexualität noch längst nicht von jedem akzeptiert wird.
„Tatort“ wirft Zuschauer auf eigene Vorurteile zurück
„Erst die Schwuchtelkarre, dann die Schwuchtel“, sprühten Schüler einst ans Lehrerzimmer, nachdem sie das Auto von Schopper und seinem Mann Armin Berlow (Jens Harzer) angezündet hatten. Das Paar hatte seine Homosexualität offen ausgelebt, auf einem Schulfest etwa zusammen getanzt und sich geküsst, was hohe Wellen unter den Schülern geschlagen hatte.
Aber nicht nur die mussten sich in „Amour fou“ vorwerfen lassen, homophob zu sein. „Wenn die Polizei hier war, hat sie immer erst unsere Personalien aufgenommen und gefragt, was der Minderjährige hier eigentlich macht“, sagte Berlow den Kommissaren. Er und Schopper hatten sich wie Eltern um Duran gekümmert.
„Amour fou“ im Berliner „Tatort“
Es ist ein „Tatort“, in dem die Kommissare – ebenso wie die Zuschauer – auf ihre Vorurteile zurückgeworfen werden und diese immer wieder hinterfragen müssen. Aber wie steht es wirklich um die Situation von Lesben und Schwulen in Deutschland?
Straf- und Gewalttaten gegen Homosexuelle
Laut Zahlen des Bundesinnenministeriums sind die Straftaten gegen Homosexuelle in Deutschland im vergangenen Jahr auf 316 gestiegen (2015: 222). Davon waren 81 Gewalttaten (2015: 54). Bei Übergriffen gegen Homosexuelle wird allerdings angenommen, dass zahlreiche Vorfälle der Polizei gar nicht erst bekannt werden – zum Beispiel weil sich die Opfer schämen.
Werden sie doch zur Anzeige gebracht, muss der diensthabende Polizist zudem wissen, dass Übergriffe auf Lesben und Schwule zur Hasskriminalität zählen und nicht nur als Beleidigungsdelikt aufzunehmen sind. Erst dann gelangen die Fälle in die Statistik des Innenministeriums.
Dass die bundesweiten Zahlen deutlich höher liegen dürften, lässt auch die Statistik der Berliner Polizei vermuten. Allein für die Hauptstadt weist diese für 2016 113 Übergriffe auf Homosexuelle aus, was bedeuten würde, dass sich etwa die Hälfte aller Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung in Berlin ereigneten – ein eher unwahrscheinliches Szenario.
Auch das Berliner Anti-Gewalt- und Beratungsprojekt Maneo registrierte bereits 2015 deutlich mehr Fälle als die Polizei: rund 260 statt 107. Hass und Gewalt richteten sich vor allem gegen Schwule und männliche Bisexuelle.
Große Zustimmung zur „Ehe für alle“
Einer repräsentativen Emnid-Umfrage vom April zufolge wollen 75 Prozent der Deutschen eine völlige Gleichstellung von lesbischen und schwulen Paaren im Eherecht. 20 Prozent der Befragten sind demnach dagegen, dass homosexuelle Lebenspartnerschaften mit der Ehe zwischen Mann und Frau rechtlich vollständig gleichgestellt werden. Der Rest machte keine Angabe.
Im Januar hatte eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) sogar 83 Prozent Zustimmung zu der Aussage gebracht, Ehen zwischen zwei Frauen oder zwei Männern sollten erlaubt sein. „Das zeigt, dass die Gesellschaft hier viel weiter ist als die Politik“, sagte ADS-Leiterin Christine Lüders damals.
In Deutschland gibt es seit August 2001 als Sonderform für gleichgeschlechtliche Paare die eingetragene Lebenspartnerschaft. Vor allem die Tatsache, dass diese Paare nicht gemeinsam Kinder adoptieren dürfen, führt immer wieder zu Diskussionen.
Abwertende Einstellungen noch weit verbreitet
Die ADS-Umfrage zeigte aber auch, dass abwertende Einstellungen gegenüber Schwulen und Lesben in der Bevölkerung noch weit verbreitet sind. So bezeichneten es 38 Prozent der Befragten als unangenehm, wenn zwei Männer in der Öffentlichkeit ihre Zuneigung zeigen.
Etwa 18 Prozent halten Homosexualität für „unnatürlich“. Rund 12 Prozent fänden es unangenehm, mit Schwulen oder Lesben zusammenzuarbeiten. Wenn der eigene Sohn schwul oder die eigene Tochter lesbisch wäre, fänden dies sogar rund 40 Prozent unangenehm. (mit dpa)