Essen. Die Arte-Doku-Reihe „Der Traum von der Neuen Welt“ ist bestens komponiertes Bildungskino und zeigt das Scheitern von vielen Träumern.

Der Deutsche Carl Schurz hat eine Lebensgeschichte, die den Stoff für einen Musical-Hit liefern könnte: Als gerade einmal 19-Jähriger kämpft er in der Märzrevolution, flieht dann nach Paris und London, lernt dort seine deutsche Frau Margarethe kennen, wandert mit ihr in die USA aus. Dann besiegt er im Bürgerkrieg die Truppen des Südens, wird von Abraham Lincoln als Botschafter nach Spanien entsandt und ist schließlich der erste Deutsche im US-Senat.

Seine Frau hat übrigens nebenbei den ersten „Kindergarten“ in Amerika gegründet — weswegen sie dort heute noch so genannt werden. Carl Schurz’ fantastische Lebensgeschichte ist nur eine von rund 20, die in der vierteiligen Dokumentation mit großer Detailverliebtheit und dramaturgischem Geschick nacherzählt werden.

Verzweiflung der Glücksritter

Die Reihe trägt den etwas drögen Titel „Der Traum von der Neuen Welt“. Dabei hat sie eines der größten Dramen der Menschheitsgeschichte zum Thema: 55 Millionen Europäer verließen zwischen 1840 und 1939 ihre Heimat. Das Ziel: „Go West“, ganz egal, ob Nord- oder Südamerika. Es galt, einen „neuen“ Kontinent zu erschließen, Indianerhäuptlinge zu besiegen. Das alles klang nach Abenteuer. Dabei vergisst die Dokumentation nicht, auch die Verzweiflung der Glücksritter zu zeigen, die sie erst dazu brachte, sich auf die große Fahrt zu begeben.

Im ersten Teil der Mini-Serie lenkt der Regisseur Kai Christiansen vor allem den Blick auf Einzelschicksale, wie das von Carl Schurz, der auch vor dem drohenden Gefängnis nach Amerika floh. Doch die meisten hatten nicht so viel Glück wie der Deutsche.

Die Suche nach Gold

Eine Irin musste jahrelang als Haushälterin arbeiten und verdiente nur zwei Dollar in der Woche. Ein Schwede sparte fünf Jahre seinen Hungerlohn, um sich endlich einen eigenen Acker leisten zu können. Viele andere schufteten in Minen und Schlachthöfen oder suchten nach Gold. Und immer wieder der Satz: „Von dort verliert sich die Spur, man hat nie wieder etwas gehört.“ Doch genau dieses Spurensuchen, diese Akribie in der Recherche, ist die Stärke der Dokumentation.

Originaldokumente, Briefe, Fotos und schließlich die wohltuend zurückhaltend eingesetzten Schauspieler (ein großartiger Fabian Busch als Carl Schurz) machen zumindest den ersten Teil „Der Aufbruch“ zu einem wirklichen Meisterwerk.

Krieg und Revolution

Die Stimmung der Pioniere wird genauso nachvollziehbar wie das Leid, das sie erst zu Flüchtlingen machte. Europa hatte mit Hunger, Krieg und Revolution zu kämpfen, und hinter dem „großen Teich“ lockte eine Welt der freien Menschen, keine Könige, keinen Militärdienst und, für viele das Wichtigste: keine Steuern. Eine oft trügerische Hoffnung. Arte zeigt am Samstag zwei Folgen, die nächsten laufen nächste Woche.

Fazit : Die Stärke der Doku-Reihe ist, dass sie eben nicht nur Erfolgsgeschichten nacherzählt, sondern auch das Scheitern der Träumer zum Thema macht. Lehrreich und bewegend.

Samstag, 3. Juni, Arte, 20.15 Uhr (Teil 1) und 21.05 Uhr (Teil 2)