Berlin. Bei Maybrit Illner drehte sich alles um das Thema Sicherheit. Eine Polizistin rechnete ab, Julia Klöckner gab sich als Scharfmacherin.

Der Bundesinnenminister spricht von „Verrohung“. Die Zahlen, die er präsentierte, seien ein „Weckruf“. Egal ob schwere Körperverletzung, Vergewaltigungen oder Totschlagsdelikte – die bei der Polizei gemeldeten Fälle stiegen im vergangenen Jahr sprunghaft an, um bis zu 13 Prozent.

Ausgerechnet vor den Wahlen in NRW und im Bund holt das Thema Sicherheit die Politik wieder mit voller Wucht ein. Was läuft schief in Deutschland? Darüber diskutierte Maybrit Illner in einem „Spezial“ am Donnerstagabend mit ihren Gästen. Thema der Sendung: „Notruf im Wahljahr – wie sicher ist Deutschland?“

Die Politik

Julia Klöckner, CDU-Landesvorsitzende aus Rheinland-Pfalz, konnte es nicht abwarten. In Deutschland sei etwas in Rutschen gekommen, es gebe zu wenig Polizei und eine lasche Justiz – natürlich nur dort, wo SPD und Grüne regieren. Dass ihre Partei den Innenminister stellt? Geschenkt.

Der Wahlkampf war schnell in Illners Runde angekommen. Klöckner beklagte den Anstieg von ausländischen Straftätern, forderte konsequentes Durchgreifen des Staates und mehr Abschiebungen. Wer straffällig werde, habe sein Gastrecht verwirkt – besser hätte es die AfD nicht ausdrücken können.

SPD und Grüne halten dagegen

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) hielten dagegen. Es sei die schwarz-gelbe Koalition gewesen, die tausende Stellen bei den Sicherheitsbehörden gestrichen hätte. Ein Vorwurf, den Klöckner und FDP-Vize Wolfgang Kubicki naturgemäß zurückwiesen.

Es war das übliche Schwarze Peter-Spiel, das sich oft in deutschen Talkshows (vor Wahlen) beobachten lässt. Die eine Seite wirft der anderen vor, was sie alles falsch gemacht habe und umgekehrt. Für den Zuschauer ist das ermüdend. Gut, dass Maybrit Illners Redaktion vorgebeugt hat.

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Der Journalist

Die Moderatorin präsentierte abseits der Runde immer wieder einzelne Gäste, die Ahnung vom Fach haben – und die keine Wahl am kommenden Wochenende gewinnen wollen. So wie Olaf Sudermeyer. Der Journalist recherchiert zu organisierter Kriminalität in Deutschland. Sein Befund: Die Bundesrepublik mache es Tätern leicht. Organisierte Banden, oft aus Osteuropa, fänden hier alles vor, was sie sich wünschten: ein reiches Land mit guter Infrastruktur und einen Rechtsstaat, der als liberal gelte.

„Das wird ausgenutzt“, so Sudermeyer. Dass es aber einen Zusammenhang zwischen Herkunft und Kriminalität gäbe, sei Rassismus. Junge Männer ohne Perspektive seien einfach für die organisierte Kriminalität zu gewinnen. Und in diese Gruppe fielen eben auch viele Menschen, die in Deutschland auf Asyl hofften. Das erkläre auch den Anstieg der Tatverdächtigen ohne deutsche Staatsangehörigkeit in der jüngsten Kriminalitätsstatistik.

Die Polizistin

Die Zahlen sind ernüchternd. Lediglich zehn Prozent der Wohnungseinbrüche werden aufgeklärt, die Verurteilungsquote ist mit gerade einmal zwei Prozent kaum noch messbar. Und immer mehr Polizisten sind frustriert. Die Bochumer Kriminaloberkommissarin Tania Kambouri erzählte Maybrit Illner aus ihrem Alltag. „Wir werden nicht ernst genommen“, sagte sie.

Eine Problemgruppe seien Migranten. „Wir haben mit bestimmten Bevölkerungsgruppen Probleme, die diesen Staat nicht akzeptieren“, so die Polizistin. Schon die Fahrt zu einem Verkehrsunfall könne ein Risiko für die Beamten darstellen. Kambouri berichtete davon, wie im vergangenen Jahr ein Migrant auf sie eingeschlagen, ihr in den Finger gebissen und dabei den Knochen gebrochen habe.

Sie glaubt: Der deutsche Staat ist zu lasch. „Wir müssen Täter wieder laufen lassen, weil sie keinen festen Wohnsitz haben“, so die Beamtin. Kurz darauf würden sie wieder straffällig. Für sie und ihre Kollegen sei das belastend. Ihr Vorwurf: „Wir fühlen uns im Stich gelassen von Politik und Justiz“.

Die zahme Populistin

AfD-Politikerin Beatrix von Storch (l.) und Sevim Dagdelen von der LInken.
AfD-Politikerin Beatrix von Storch (l.) und Sevim Dagdelen von der LInken. © dpa | Rolf Vennenbernd

Den ersten Eklat hatte es jedoch schon vor der Sendung gegeben. Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen sagte ihre Teilnahme ab, weil sie mit Beatrix von Storch von der AfD diskutieren sollte. Das übernahm Moderatorin Illner, doch die Rechtspopulistin zeigte sich erstaunlich zahm. Natürlich: Wer straffällig werde, müsse abgeschoben werden, und die Grenzöffnung im September 2015 habe Deutschland unsicherer gemacht.

Doch von Storch sagte auch, dass Flüchtlingen geholfen werden müsse. Sie forderte ein Einwanderungsrecht und die Unterscheidung zwischen Migranten, also Menschen, die sich bessere wirtschaftliche Bedingungen erhofften, und Kriegsflüchtlingen. Von Storch: „Wir machen den Fehler, dass wir alle in einen Topf werfen“.

Die Rolle der Scharfmacherin blieb Julia Klöckner an diesem Abend vorenthalten.

Das Fazit

Das Einschalten hat sich gelohnt. Immer dann, wenn die Runde zu hektisch wurde, stellte Maybrit Illner neue Gäste vor. Die durchbrachen den Politiker-Zoff, für den Zuschauer ein echter Erkenntnisgewinn.

Die ganze Sendung können Sie sich in der ZDF-Mediathek ansehen.