Essen. In „Der Gutachter – Ein Mord zu viel“ wird ein entlassener Straftäter verdächtigt. Der Film sticht positiv aus der Krimi-Flut heraus.

Es müssen nicht immer wieder Krimis mit dem gleichen schalen Aufbau sein. Krimis, die sich sichtlich nach dem Ende sehnen, weil sie schon zur Halbzeit nichts Aufregendes mehr zu erzählen haben. Auch das ZDF mit seinem enormen Ausstoß an Mordware hat inzwischen bemerkt, dass es manchmal neue Pfade braucht, will man die Neugier beim Publikum neu entfachen.

Als einen solchen Außenseiter des Genres darf man nun in „Der Gutachter – Ein Mord zu viel“ den forensischen Psychiater Robert Siedler (Benjamin Sadler) kennenlernen. Mit seinen Gutachten über ehemalige Straftäter und deren mögliche Resozialisierung übernimmt er eine große Verantwortung. Denn trotz Ausbildung, Erfahrung und Intuition bleibt da immer ein Restrisiko.

Psychiater als Opfer einer Hetzjagd

Bei dem ehemaligen Alkoholiker Friedhelm Knecht (ganz stark: Michael A. Grimm) aber, der im Suff einen Menschen erschlagen hat, ist sich Siedler ganz sicher, dass der es draußen wieder schaffen kann. Doch dann wird ausgerechnet jene junge Frau ermordet aufgefunden, die dem so gemütlich und freundlich wirkenden Bayern eine Stellung besorgt hatte.

Und während der Zuschauer noch grübelt, ob der grobe Ehemann der Toten diesmal ein wenig zu fest zugeschlagen hat, hat die Hetzjagd auf Knecht in den Medien bereits begonnen. Und auch Siedler gerät ins Fadenkreuz, weil das vermeintliche Versagen eines Psychiaters sich immer gut verkauft. Das alles greift mit einer rätselhaften Nebenhandlung um eine junge Patientin Siedlers ineinander.

Grimme-Preisträger schrieb das Drehbuch

Regisseurin Christiane Balthasar, bekannt für ihre „Kommissarin Heller“-Filme im ZDF, gelingt es, das raffinierte Drehbuch von Grimme-Preisträger Jochen Bitzer („Der Fall Jakob von Metzler“) in reine Dynamik umzusetzen.

Mit diesem Robert Siedler hat Bitzer eine Figur geschaffen, die tatsächlich in ganz normalen Verhältnissen lebt. Der Gutachter ist verheiratet mit Kathrin (Jasmin Gerat), mit der er sich auf das erste gemeinsame Kind freut. Er unterrichtet an der Universität, steht auf dem Sprung zum Oberarzt, weil sein Mentor und Freund Moldenhauer (Hans Zischler) die Altersgrenze erreicht hat und schon von der Toskana träumt. Er ist es auch, der Siedler den Rücken stärkt, als die Presse über sein vermeintliches Versagen herfällt.

Ein Moment, der kaum auszuhalten ist

Da man jedoch nie gefeit ist vor den Ränken des Schicksals, wird auch dieser rechtschaffene Gutachter in höchste Not geraten. Dann nämlich, wenn ein fast wahnsinnig gewordener Witwer nur noch Rache sucht, in Siedlers Wohnung eindringt und die hochschwangere Ehefrau bedroht. Das ist ein Moment puren Entsetzens, der kaum auszuhalten ist.

Das ZDF kann trotz der Krimi-Ballung am Samstag und Montag noch in diesem Genre überraschen. In „Der Gutachter“ geht es nicht um die Jagd nach dem Mörder, sondern um die brenzlige Frage, wann ein Straftäter gefahrlos entlassen werden kann.

Fazit: Glaubwürdig und in jeder Minute spannend, besonders im letzten Drittel.

ZDF, Montag, 8. Mai, 20.15 Uhr