Berlin. Sind Pflegekräfte überfordert? Darf man im Heim Waffen besitzen? Wir klären im Fakten-Check die Fragen zum Münchener „Polizeiruf 110“.
Der Münchener „Polizeiruf 110 – Nachtdienst“ führt Kommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) in ein Altenpflegeheim. In der Einrichtung läuft einiges schief: Das Personal scheint überfordert, die Patienten sind immer wieder Unfall- und Gesundheitsrisiken ausgesetzt.
Als Kommissar von Meuffels von einem angeblichen Mord in dem Pflegeheim erfährt, spricht zunächst auch vieles für einen Unfall. Der Kommissar ist in der Folge sowohl mit Ermittlungsarbeiten beschäftigt, wie auch mit dem Versuch, die desolate Situation der Heimbewohner nachzuvollziehen. Am Ende kommt das Eingreifen Hanns von Meuffels’ zu spät. Doch ist die Pflegesituation im „Polizeiruf 110“ in der ARD überhaupt mit der Realität vergleichbar? Ist auch dort schon alles zu spät? Ein Fakten-Check zu den wichtigsten Fragen des Krimis:
• Im „Polizeiruf 110 - Nachtdienst“ sind drei Mitarbeiter im Nachdienst für 20-40 Personen zuständig. Ist das realistisch?
„Tatsächlich gibt es kaum Vorgaben für die Pflegepersonalbemessung in den Einrichtungen“, sagt Johanna Knüppel, Referentin beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBFK), unserer Redaktion. Laut einer Studie der Universität Witten-Herdecke aus dem Jahr 2015 war eine Nachtschicht-Pflegekraft in den vergangenen Jahren im Schnitt für 52 Patienten zuständig. Den Pflegekräften blieben dann nur zwölf Minuten für jeden Patienten pro Nacht für Inkontinenzversorgung, Verabreichung von Medikamenten und weitere Hilfen. Alleine das Desinfizieren nach Vorschrift würde dann aber fast zwei Stunden dauern.
Blutiger Nachtdienst im „Polizeiruf“
Die Zustände im Krimi scheinen also sogar noch besser zu sein als im Durchschnitt. Das könnte unter anderem damit zusammenhängen, dass es in Bayern und Baden-Württemberg Mindestvorgaben für die Nachtwachen gibt. „In Baden-Württemberg darf eine Nachtwache nicht mehr als 45 Bewohner betreuen, in Bayern ist der Schlüssel etwas schlechter“, so Johanna Knüppel. Die Expertin gibt jedoch zu bedenken: „Eine Entlastung im Nachtdienst geht dabei immer zulasten der Tagbesetzung.“
Aus dem Bundesgesundheitsministerium heißt es auf Nachfrage unserer Redaktion: „Die individuell vorzuhaltende personelle Ausstattung einer stationären Pflegeeinrichtung wird konkret zwischen dem Einrichtungsträger und den Kostenträgern (insbesondere Pflegekassen und Träger der Sozialhilfe) in der jeweiligen Pflegesatzvereinbarung vertraglich festgelegt.“ Eine Sprecherin ergänzt dazu, dass diese Vereinbarung dann aber verpflichtend sei und die vereinbarte Personalstärke auch bei Krankheit oder Urlauben nicht unterschritten werden darf.
• Einer der Pfleger im Krimi ist über eine Umschulung in den Pflegeberuf gekommen. Dürfte dieser Pfleger auch Nachtdienste übernehmen?
Die Bundesländer regeln über eine „Fachkraftquote“, wie viele Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen examinierte Mitarbeiter sein müssen. In Bayern, wo der „Polizeiruf“ spielt, liegt die Quote bei 50 Prozent. Es könnten also auch ungelernte Kräfte mit ausgebildeten Pflegern zusammenarbeiten.
Das Tragen der Berufsbezeichnung bei Altenpflegern wie bei Gesundheits- und Krankenpflegern setzt jedoch eine Erlaubnis voraus, die in Gesetzen festgeschrieben ist. „Unter anderem ist dabei vorgeschrieben, dass die im Gesetz geregelte Ausbildung abgeleistet und die staatliche Prüfung bestanden worden sein muss. Auch „Umschüler“ erhalten die Berufserlaubnis nur unter diesen Voraussetzungen“, teilt Jasmin Maschke vom Gesundheitsministerium mit.
• Können Angehörige dem Pflegeheim untersagen, nachts über den Tod eines Angehörigen informiert zu werden?
Theoretisch ja. „Es gibt kein Gesetz, das das verbietet“, so die Einschätzung von Johanna Knüppel vom DBFK. Ein Arzt müsse allerdings sofort hinzugezogen werden, um den Tod des Bewohners festzustellen. Damit dürfe nicht bis zum nächsten Morgen gewartet werden.
• Werden Pflegekräfte in Heimen häufig sexuell belästigt, wie es im „Polizeiruf 110“ der Fall ist?
Dem DBFK liegen keine Zahlen zu sexuellen Übergriffen in Heimen vor. „Ganz selten ist das aber nicht, gerade vor dem Hintergrund eines zunehmenden Anteils von Bewohnern mit Demenz“, so Johanna Knüppel. Geschultes Personal könne jedoch auf dieses Verhalten eingehen, wenn Symptome der Enthemmung bei Demenz-Patienten auftreten.
• Einer der Heimbewohner erschießt mit seiner eigenen Waffe am Ende des Krimis zahlreiche Menschen. Dürfen Bewohner von Pflegeheimen auch Waffen besitzen?
Theoretisch ja. Das Zimmer der Bewohner ist wie eine Wohnung oder ein Haus Wohnort des Pflegepatienten. Für dieses Zimmer gilt auch Artikel 13 des Grundgesetzes, in dem es heißt: „Die Wohnung ist unverletzlich.“ Alles was in der Wohnung passiert, ist Privatsache des Bewohners. Das gilt auch für seinen weiteren Besitz. Laut § 36 des Waffengesetzes muss der Besitzer einer Waffe der zuständigen Behörde nachweisen, dass die Waffe sicher aufbewahrt wird. Auch muss er psychologisch und körperlich für den Besitz einer Waffe geeignet sein. Diese Eignung kann im Falle einer Erkrankung auch erlöschen.