Berlin. Geraten die USA und Russland nach dem Giftgasangriff in Syrien in einen globalen Konflikt? Diese Frage stellte am Sonntag Anne Will.

Donald Trump hat kurzerhand seine Syrien-Strategie geändert: Raketen statt Zurückhaltung lautet plötzlich die Devise. Das könnte weitreichende Folgen haben. Schließlich wird der syrische Machthaber Baschar al-Assad vom Iran und von Russland unterstützt.

Vom Kreml sind die US-Luftschläge schnell als „Akt der Aggression“ bezeichnet worden. Auch drohte Russland, die Absprache von Militäroperationen mit den USA in Syrien einzustellen. Könnte es über Assad zu einem globalen Konflikt zwischen den beiden Großmächten kommen? Diese doch sehr alarmistische Frage stellte am Sonntagabend Anne Will.

Die Antwort auf die Frage der Sendung

Mit „Ja“ antwortete in der Runde nur Michael Lüders auf die Frage. „Trump hat erst geschossen und dann nachgedacht“, stellte der Autor fest. Das sei dieses Mal gutgegangen. „Was aber, wenn das nächste Mal Russen getroffen werden?“ Dann, antwortete Lüders sich selbst, werde es brandgefährlich – und zwar auch für Deutschland, da Trump dann möglicherweise Bündnishilfe der Nato-Partner einfordern würde.

US-Angriff in Syrien: Was Sie jetzt wissen müssen

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    Ganz anders sah das John Kornblum. „Ihr Sendungstitel ist ein wenig dramatisch, es gibt keine Gefahr für einen Weltkrieg“, sagte der frühere US-Botschafter in Deutschland. Ähnlich sah das Michael Wolffsohn: „Ich bin in keiner Weise von einer Weltkriegsangst befallen“, sagte der Historiker.

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    Doch warum hat Trump die Angriffe befohlen? An dieser Stelle war es Wolffsohn, der die plausibelste Erklärung anbot, indem er den Schritt als „Haudraufaktion mit politischem Zweck“ bezeichnete. Einerseits hätten sich die USA vorab mit Russland abgesprochen, so dass keine russischen Soldaten getroffen wurden – und die russische Flugabwehr in Syrien nicht eingriff. Andererseits habe Trump den Angriff während des Besuchs des chinesischen Staatschefs Xi Jinping befohlen. Damit habe Trump seinem Gast gezeigt, dass er im Notfall robust gegen Nordkorea vorgehen wird – und China also lieber mäßigend auf den Nachbarn wirken solle.

    US-Militärschlag gegen syrische Armee

    Das US-Militär hat in der Nacht zu Freitag einen Luftwaffenstützpunkt der syrischen Armee angegriffen. Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums wurden 59 „Tomahawk“-Raketen von zwei Kriegsschiffen im östlichen Mittelmeer abgefeuert. Die USA begründeten ihr Vorgehen als Reaktion auf den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien, bei dem am Dienstag mindestens 70 Menschen getötet wurden.
    Das US-Militär hat in der Nacht zu Freitag einen Luftwaffenstützpunkt der syrischen Armee angegriffen. Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums wurden 59 „Tomahawk“-Raketen von zwei Kriegsschiffen im östlichen Mittelmeer abgefeuert. Die USA begründeten ihr Vorgehen als Reaktion auf den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien, bei dem am Dienstag mindestens 70 Menschen getötet wurden. © dpa | Robert S. Price
    Bei dem US-Angriff auf den Militärflugplatz in Syrien sind mehrere Menschen getötet worden. Es habe zudem Verletzte und großen materiellen Schaden gegeben, heißt es in einer Erklärung der Militärführung in Damaskus.
    Bei dem US-Angriff auf den Militärflugplatz in Syrien sind mehrere Menschen getötet worden. Es habe zudem Verletzte und großen materiellen Schaden gegeben, heißt es in einer Erklärung der Militärführung in Damaskus. © REUTERS | HANDOUT
    Trump sagte am späten Donnerstagabend (Ortszeit), er habe den Luftschlag angeordnet in einem Akt der Verteidigung nationaler Sicherheitsinteressen.
    Trump sagte am späten Donnerstagabend (Ortszeit), er habe den Luftschlag angeordnet in einem Akt der Verteidigung nationaler Sicherheitsinteressen. © dpa | Ford Williams
    Mit dem Giftgasangriff am Dienstag, bei dem zahlreiche Menschen getötet wurden, habe Syrien seine internationalen Verpflichtungen sowie UN-Resolutionen verletzt.
    Mit dem Giftgasangriff am Dienstag, bei dem zahlreiche Menschen getötet wurden, habe Syrien seine internationalen Verpflichtungen sowie UN-Resolutionen verletzt. © dpa | Ford Williams
    Die Satellitenaufnahme zeigt das al-Shayrat Flugfeld in Syrien. Der angegriffene Flugplatz in der Nähe des Ortes Al-Schairat ist nach staatlichen syrischen Angaben stark zerstört worden.
    Die Satellitenaufnahme zeigt das al-Shayrat Flugfeld in Syrien. Der angegriffene Flugplatz in der Nähe des Ortes Al-Schairat ist nach staatlichen syrischen Angaben stark zerstört worden. © dpa | ---
    Die „Tomahawk“ ist der bekannteste Marschflugkörper der USA. Die Waffe gibt es in verschiedenen Versionen mit Reichweiten bis zu 2.500 Kilometern. Sie sind auf Schiffen und U-Booten stationiert.
    Die „Tomahawk“ ist der bekannteste Marschflugkörper der USA. Die Waffe gibt es in verschiedenen Versionen mit Reichweiten bis zu 2.500 Kilometern. Sie sind auf Schiffen und U-Booten stationiert. © REUTERS | HANDOUT
    „Tomahawks“ wurden unter anderem im Golfkrieg 1991 und im Irakkrieg 2003 massiv eingesetzt.
    „Tomahawks“ wurden unter anderem im Golfkrieg 1991 und im Irakkrieg 2003 massiv eingesetzt. © dpa | Ford Williams
    Technische Daten und schematische Darstellung der Flugbahn eines Marschflugkörpers.
    Technische Daten und schematische Darstellung der Flugbahn eines Marschflugkörpers. © dpa-infografik | dpa-infografik GmbH
    Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat den US-Luftangriff verteidigt. „Es war kaum erträglich, mit ansehen zu müssen, dass der Weltsicherheitsrat nicht in der Lage war, klar und eindeutig auf den barbarischen Einsatz chemischer Waffen gegen unschuldige Menschen in Syrien zu reagieren“, erklärte Gabriel am Freitag am Rande seiner Mali-Reise in Bamako.
    Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat den US-Luftangriff verteidigt. „Es war kaum erträglich, mit ansehen zu müssen, dass der Weltsicherheitsrat nicht in der Lage war, klar und eindeutig auf den barbarischen Einsatz chemischer Waffen gegen unschuldige Menschen in Syrien zu reagieren“, erklärte Gabriel am Freitag am Rande seiner Mali-Reise in Bamako. © dpa | Robert S. Price
    Entscheidend sei jetzt aber, „zu gemeinsamen Friedensbemühungen unter dem Dach der UN zu kommen“, sagte Gabriel weiter. Es müsse eine politische Lösung des Konflikts geben. „Nur ein neues und demokratisches Syrien wird dauerhaften Frieden bringen.
    Entscheidend sei jetzt aber, „zu gemeinsamen Friedensbemühungen unter dem Dach der UN zu kommen“, sagte Gabriel weiter. Es müsse eine politische Lösung des Konflikts geben. „Nur ein neues und demokratisches Syrien wird dauerhaften Frieden bringen. © dpa | Ford Williams
    Dieses Videostandbild des von der syrischen Regierung kontrollierten Fernsehsenders „Syrian official TV“ zeigt beschädigte und ausgebrannte Flugzeughangars auf dem syrischen Luftwaffenstützpunkt al-Shayrat südöstlich der Stadt Homs.
    Dieses Videostandbild des von der syrischen Regierung kontrollierten Fernsehsenders „Syrian official TV“ zeigt beschädigte und ausgebrannte Flugzeughangars auf dem syrischen Luftwaffenstützpunkt al-Shayrat südöstlich der Stadt Homs. © dpa | ---
    Auch auf diesem Bild ist die Zerstörung durch den Angriff zu sehen.
    Auch auf diesem Bild ist die Zerstörung durch den Angriff zu sehen. © REUTERS | REUTERS TV
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    Kontrovers fiel die Einschätzung von Lüders aus: Der Westen habe Syrien mit ins Chaos gestürzt, befand der Autor. In jedem Fall treffend analysierte er, dass der Syrien-Konflikt längst kein Bürgerkrieg sondern ein Stellvertreterkrieg ist, bei dem sich der Westen, die Türkei und die Golfstaaten mit Russland, dem Iran und entfernt auch China gegenüberstehen. „Was die Syrer wollen oder nicht wollen, interessiert mittlerweile nicht mehr“, sagte Lüders. Das sei dann auch der Grund dafür, dass die Genfer Gespräche zu keinem Erfolg führten.

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      Der packendste Schlagabtausch

      Entspann sich zwischen Ursula von der Leyen und Jan van Aken. Als die Verteidigungsministerin Trumps Vorgehen als „Warnschuss“ lobte, fuhr der Linken-Politiker aus der Haut: „Dass eine deutsche Verteidigungsministerin sich so äußert, finde ich schockierend“, sagte van Aken unter Verweis darauf, dass die Angriffe nicht vom Völkerrecht gedeckt waren.

      Der Satz des Abends

      Kam vom früheren US-Botschafter Kornblum. Danach gefragt, welche der abweichenden Aussagen von US-Vertretern zu Assads Zukunft denn nun gelte, antwortete Kornblum leicht genervt: „Es gilt, dass die Trump-Administration immer total durcheinander ist.“

      Das Fazit

      Ist eindeutig und positiv: Deutscher Polittalk kann funktionieren – diese Ausgabe von Anne Will war ein seltener Beleg dafür. Dabei sind die Zutaten dafür eigentlich sehr einfach. Man nehme: Ein bewegendes Thema, eine stringente Gesprächsführung und vor allem kontroverse Gäste, die auch mal von den Standard-Erzählungen abweichen – und fertig ist ein erhellender Talk. Warum nur klappt das nicht häufiger?