Berlin. Ausgerechnet in der 90er-Folge von „Let’s Dance“ fliegt einer der Stars des Jahrzehnts aus der Show. Ein anderer bekam 30 Punkte.
„Let’s Dance“, eine Show wie das Leben. Mal geht es um die ganz großen Konflikte unserer Zeit – Kriege, Flüchtlingskrisen und Krawall. Und dann steht auf einmal ein Zitronenbaum im Zentrum des Interesses. Ja, so kann das gehen. Live verfolgt am Freitagabend in der vierten Folge von Deutschlands beliebtester Tanz-Show.
Und so gliedern sich die Auftritte der verbliebenen 13 Kandidatenpaare tatsächlich in schwer verdauliche (aber höchst ansehnliche) sowie beschwingte Themen. Da hätten wir Gruppe eins, nennen wir sie „Die Schicksalsgemeinschaft“. Inoffizieller Anführer dieser imaginären Formation: Gil Ofarim.
„Das war ein magischer Moment“
Wieder vollführt er ein Spektakel von Tanzperformance, erneut erfährt er die höchste Ehrung (30 Punkte). Der 34-Jährige und Ekaterina, seine Partnerin auf dem Parkett, führen eine Choreografie im Stil des Contemporary Dance auf, heißt: Sie können tanzen, wie sie wollen. Und das tun sie. Zu „Zombie“ eilen, straucheln und schweben sie barfuß durch das Studio, in Gedanken im von einem Terroranschlag gezeichneten Irland.
„Unser Tanz soll zum Denken anregen“, hatte Ofarim kurz zuvor verkündet, und die Performance scheint ihre Wirkung nicht zu verfehlen. Standing Ovation vom Publikum, und auch die Jury ist außer sich. Jorge Gonzalez: „Das war der beste Contemporary-Tanz, den ich bei ‚Let’s Dance‘ gesehen habe.“ Motsi Mabuse: „Das war ein magischer Moment.“ Joachim Llambi: „Großes Kino.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
„Let’s Dance“ – alle Sieger im Überblick
Elf Punkte. Eine Bewertung, voll auf die Zwölf!
Weiteres Mitglied der Schicksalsgemeinschaft, und zwar auch abseits der Showbühne: Susi Kentikian. Die Profiboxerin erzählt vor ihrem Auftritt von ihrer Kindheit auf einem Flüchtlingsschiff; die 29-Jährige floh in den 90er Jahren mit ihrer Familie aus Armenien. Der Neustart in Deutschland ist geglückt, der Quickstep – um zwei Jahrzehnte in die Gegenwart zu springen – weniger (Hinkender Vergleich, aber irgendwie müssen wir den Anschluss finden).
Für diesen gibt es nämlich gerade elf Punkte – zehn davon vergeben Jorge Gonzalez und Motsi Mabuse. Joachim Llambi empfindet den Auftritt als Kampf zwischen Kentikian und Tanzpartner Robert. Elf Punkte. Eine Bewertung, voll auf die Zwölf! (Cheyenne Pahde (22) weiß mit ihrem Quickstep übrigens ebenso wenig zu überzeugen. Selbst ihr Britney-Spears-Fan-Video ist besser).
Ann-Kathrin Brömmel, das „lebende Klischee“
Auch Heinrich Popow lässt die Zuschauer (einmal mehr) an seiner Leidensgeschichte teilhaben. Als Kind hatte er Krebs, weswegen ihm der Unterschenkel amputiert wurde. Davon aber lässt sich der 33-Jährige sein Leben lang nicht aufhalten, und so zeigt er beim zweiten Contemporary-Tanz des Abends, dass er gerne ein „Creep“ ist. Bei dem Bodenakrobatik-ähnlichen Auftritt „hat ganz bestimmt keiner weggeguckt“, vermutet Juror Llambi. Sehen wir genauso. 27 Punkte.
Unter einem besonderen Schicksal, um das Thema zu Ende zu bringen, leidet derweil Ann-Kathrin Brömmel (27). Sie sei „das lebende Klischee“, sprich Model und Fußballerfreundin. Ach je. Wenigstens ist sie laut ihres Tanzpartners Sergiu nicht auch noch „Prinzessin, sondern Arbeitstier“ – weswegen sie auch gleich eine der besten Leistungen des Abends zur Schau stellt. Ihren Langsamen Walzer zu 4 Non Blondes’ „What’s Up“ findet Mabuse „ganz, ganz, ganz, ganz, ganz, ganz toll“. Das wird belohnt mit ganzen 26 Punkten.
„Über die Punkte freut er sich mehr als über die Schoko-Pizza“
Ein anderes übergreifendes Thema begleitet die Herrschaften Faisal Kawusi (25), Maximilian Arland (35) und Anni Friesinger-Postma (40). Es geht um unser aller liebsten Beschäftigung: das Essen. Komiker Kawusi ist laut Moderatorin Sylvie Meis nämlich „ein kleines Poffertjes“, obwohl er die Süßspeise in jüngster Vergangenheit sicher gemieden hat. Er ist nämlich auf der „Oana-Diät“, also einer nach seiner Tanzpartnerin benannten Schlankheitskur.
Diese hat der Rumba zu „I Swear“ zwar nicht geholfen – für den „Stehtanz“ gibt’s 12 Punkte, aber sei’s drum. Den Nachtisch hat sich Kawusi trotzdem verdient. Als Trost für Sylvies bitterbösen Witz: „Rufen Sie an – über die Punkte freut er sich mehr als über die Schoko-Pizza!“
„Das Gehopse würde auf die Wiesn passen“
Maximilian Arland (35) startet seinen Slowfox am erwähnten Zitronenbaum. Er tanzt zu, logisch, „Lemon Tree“. Weil er sich aber wie ein „Kartoffelsack“ bewegt (seine Partnerin Isabel), der „auf einem Kreuzfahrtschiff die Mädels ab 80 abschleppen kann“ (Llambi), gibt’s nur 14 Punkte. Doch die reichen für die nächste Runde.
Zu Brezn und Bier zieht es Anni Friesinger-Postma (40), also zumindest, was ihren Tanz angeht. Denn ihren Cha-Cha-Cha bewertet Llambi als Gehopse, das auf die Wiesn passen würde. Das Oktoberfest aber ist noch weit entfernt, und so hagelt es neun Punkte. Schlusslicht. Aber auch Anni packt’s.
Eine Show voller 90er-Jahre-Witze
Sehr solide zeigt sich dagegen das 23-Punkte-Trio: Giovanni Zarrella (39) beglückt die Jury mit seiner Interpretation eines Tango (Jorge: „Du wirst besser und besser“), Vanessa Mai (24) sorgt für ordentlich Feuer, trotz eines Langsamen Walzers, und Angelina Kirsch (28) begeistert mit ihrer Rumba zu „Rush Rush“. Der Liebeskummer, wegen dessen sie beim Training kurz ein paar Tränchen vergießt, ist da längst vergessen. Nur „an der Beckenaktion“ hapert’s noch.
Und da bleibt nach einer Show voller 90er-Jahre-Witze nur noch einer: Bastiaan Ragas (45). 16 Punkte sind für ihn nicht genug, die Gunst des Publikums zu gewinnen; trotz der Anwesenheit von Glücksbringer und Caught-in-the-Act-Kollege Eloy de Jong. Er hat einfach „die Haltung und den Rhythmus vergessen“, findet Jorge Gonzalez. Passiert. So ist das Leben.