Essen. Nicolette Krebitz spielt im ARD-Film „Familie mit Hindernissen“ die überforderte Mutter. Ausgerechnet im Gefängnis fühlt sie sich frei.

Mit einem Titel wie „Familie mit Hindernissen“ verbindet der Fernsehzuschauer womöglich ein bräsiges Lustspiel mit sozialem Hintergrund, Romantik und Happy-End-Garantie, mit dem er besser keine Zeit totschlägt. In diesem Fall würde er jedoch einen Film verpassen, der endlich einmal nicht mit klugen Sprüchen belehrt und auch nicht ein absehbares Ende schon von Anfang an mit sich herumschleppt.

Stattdessen schildern hier Regisseur Oliver Schmitz (Grimme-Preis für „Türkisch für Anfänger“) und seine Drehbuchautorin Sophia Krapoth die Schwierigkeiten zweier Patchwork-Familien, die gemeinsam die Konfirmation der ältesten Tochter feiern wollen. Der Witz entsteht hier wie selbstverständlich, einfach weil es so schön beruhigend ist, anderen dabei zuzuschauen, wie sie nach und nach im Chaos versinken.

Der ganz normale Familienwahnsinn

Der Mutter der Konfirmandin, Katrin Wiedemann (Nicolette Krebitz), begegnet der Zuschauer schon in der ersten Szene angesäuselt hinter Gittern. In der Ausnüchterungszelle weigert sie sich standhaft, entlassen zu werden. Sie will eigentlich nicht mehr zurück in diesen Familien-Hexenkessel, würde lieber Ruhe und Frieden im Gefängnis genießen. Eigentlich hat nur der Alkohol ihr über die letzten Tage geholfen. Denn die hatten es in sich: Angefangen bei ihrem neuen Lebensgefährten Phillip (Hary Prinz), der seinen unkonventionellen Sohn Leo (Oskar Bökelmann) ins Haus geholt hat, weil der Junge mal wieder richtige Nähe spüren soll. Die sucht er vorzugsweise im Badezimmer, wo man ihn bekifft in der Wanne finden kann.

Dann sucht auch noch Ex-Mann Frank (Juergen Mauerer) Zuflucht bei Katrin und ihren Rotweinen, weil seine junge neue Frau Julia (Lisa Bitter) schon wieder ein Kind bekommt und er sich dieser Belastung nicht mehr gewachsen sieht.

Charakter durchbricht die „vierte Wand“

Derart verrückt Komisches würde man sich öfter wünschen, weil es gleichzeitig verrückt-ehrlich ist. Regisseur Schmitz lässt Katrin sich manchmal an den Zuschauer wenden, weil sie so noch am ehesten loswerden kann, was ihr auf der Seele liegt angesichts dieser „Familien auf Ruinen“. Sie durchbricht damit die „vierte Wand“, wie es Filmleute ausdrücken. Ein Kniff, der mächtig schiefgehen kann. Hier funktioniert er ausgezeichnet. Die Schauspielerin (44, „Freundinnen – Eine für alle“), die im vergangen Jahr mit ihrer Kino-Regiearbeit „Wild“ für Furore sorgte, trägt den Film nahezu mühelos allein.

Sie spielt die Rolle der Katrin, die erst in tiefe Verzweiflung und dann immer mehr ins Grübeln gerät, mit großer und nachvollziehbarer Glaubwürdigkeit. Ein paar kluge Sprüche gibt es dann doch, aber die sind treffend und tatsächlich weise. Etwa der: „Kinder brauchen unsere Liebe am meisten dann, wenn sie sie gar nicht verdienen.“ Oder: „Nur um die Probleme kümmern, die einem als Nächstes um die Ohren fliegen.“

Fazit: Ein leichtfüßiger und präzise beobachteter Film. Hauptdarstellerin Nicolette Krebitz ist die ideale Besetzung für eine Frau, die sich ausgerechnet im Gefängnis frei fühlt.

Mittwoch, 29. März, ARD, 20.15 Uhr