Berlin. „Hart aber fair“ wagte einen experimentellen EU-Talk. Funktioniert hat das nicht so gut. Wenigstens der Gründer der AfD überraschte.

Viele hatten sie bereits abgeschrieben, doch pünktlich zum 60. Geburtstag der Römischen Verträge erfreut sich die Europäische Union plötzlich wieder einiger Beliebtheit. Bürger demonstrieren für die Staatengemeinschaft, Politiker preisen sie. Ein entscheidender Grund für diese Entwicklung dürften die Trumps, Putins und Erdogans unserer Zeit sein. Sie zeigen, in welchem Schlaraffenland wir in Europa leben – und dass dieser Lebensstil nicht gottgegeben ist.

Auf der anderen Seite hat die EU zuletzt auch stark gelitten. Das Brexit-Votum und die Flüchtlingskrise haben gezeigt, wie fragil die Staatengemeinschaft ist. Was halten die Bürger von der EU und ihrem Zustand? Dieser Frage wurde am Montagabend in „Hart aber fair“ nachgegangen.

Gutes Konzept, mäßige Umsetzung

Zur Abwechslung hatte der Polittalk ein neues Konzept: Die Sendung wurde von den Fragen der Zuschauer geleitet. Das klang erstmal gut. Allein, so richtig in Fahrt kam diese Ausgabe von „Hart aber fair“ trotz der Einspieler mit Bürgerstimmen nicht – vor allem weil die Auswahl der Redaktion überhaupt nicht überraschte. Stattdessen wurden die üblichen EU-Themen abgehandelt.

Den größten Raum nahm dabei bezeichnenderweise die Flüchtlingskrise ein. Wer die unzähligen Diskussionen mit den immer gleichen Argumenten aus dem vergangenen Jahr noch einmal Revue passieren lassen wollte, war hier genau richtig.

Lucke stellt sich vor Flüchtlinge

Auf der einen Seite Edmund Stoiber, der mitteilte, dass sich 2015 nicht wiederholen dürfe. Dass nicht wenige EU-Länder die gesamte Last tragen dürften. Dass die Verteilung der Menschen auf europäischem Level gescheitert sei. Auf der anderen Seite Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn, der argumentierte, dass man Griechenland und Italien doch nicht allein lassen durfte.

“Hart aber fair“-Moderator Frank Plasberg.
“Hart aber fair“-Moderator Frank Plasberg. © WDR/Klaus Görgen | WDR/Klaus Görgen

Am interessantesten waren in diesem Kontext noch die Äußerungen von Bernd Lucke. Als die Sprache auf einen offenen Brief des niederländischen Premiers Mark Rutte zum Thema Migration kam, stellte sich der AfD-Gründer überraschend deutlich vor Flüchtlinge. In dem Schreiben hatte Rutte unter Verwendung einer scharfen Rhetorik von Migranten gefordert, sich ordentlich zu benehmen und etwa keinen Müll auf die Straßen zu werfen.

Luckes Äußerungen überraschen Plasberg

Das kritisierte Lucke mit deutlichen Worten: „Das war meines Erachtens unredlich. Die meisten Flüchtlinge benehmen sich ordentlich und versuchen, sich zu integrieren“, sagte der Europapolitiker. Rutte habe hier plumpe Stereotype bedient.

Die Äußerungen überraschten und brachten Gastgeber Frank Plasberg dazu, ungläubig zu fragen, ob Lucke noch wisse, welche Partei er gegründet habe. „Ich habe so etwas nie gefordert“, distanzierte der sich von den Positionen seiner früheren politischen Heimat.

Die immer gleichen EU-Themen

Doch konnte es das schon gewesen sein? Nein, natürlich durften auch zwei andere Standard-Erzählungen über die EU nicht fehlen. Da ist zum einen das Thema Bürokratie: Keine EU-Debatte ohne die Wattstärken von Staubsaugern und Glühbirnen. Muss diese Regelwut sein? Natürlich nicht, befand die Runde und allen voran Edmund Stoiber (CSU), der ständig vehement darum warb, dass sich die EU nur um die großen Themen kümmern sollte.

Interessanter war da der Faktor Frieden. „Wir nehmen den Frieden als selbstverständlich, aber er ist es nicht“, sagte Stoiber und erinnerte daran, dass ein derart friedliches Europa nach den Schrecken von zwei Weltkriegen eine immense Leistung ist.

Schwedin bringt Abwechslung in die Runde

In welche Richtung sich die Diskussion auch hätte entwickeln können, zeigte sich ab und an, wenn Louise Mansson zu Wort kam. Eindrücklich berichtete die Schwedin, warum sie an ihrem Wohnort Frankfurt an den proeuropäischen Pulse of Europe Demonstrationen teilnimmt.

„Wenn wir zerfallen, sind wir in der Weltpolitik zu schwach und wir riskieren, in Europa wieder Kriege zu haben“, sagte Mansson zum Thema Frieden in der EU. Letztlich müsse es darum gehen, deutlich zu machen, dass die Menschen in Europa der EU auch sehr viel zu verdanken haben.

Alte Perspektiven, langweiliger Talk

Flüchtlinge und Bürokratie, Probleme und Klein-Klein: Dieser Ausgabe von „Hart aber fair“ hätte es gut getan, wenn diese Standard-Perspektiven auf die EU nicht nahezu ausschließlich vorgekommen wären.

Denn dass die EU manchmal unlogisch und schwerfällig ist, dürfte mittlerweile hinreichend bekannt sein. „Ich bin 13 Jahre dabei, aber ich habe Europa noch immer nicht verstanden“, sagte passend dazu Außenminister Asselborn.

Die Ausgabe von „Hart aber fair“ finden Sie hier .