Berlin. Wie sollen Deutschland und Europa dem wahlkämpfenden türkischen Präsidenten begegnen? Maybrit Illners Runde fand kein einfaches Rezept.

Keiner weiß, wie’s gehen soll. Keiner hat ein richtiges Rezept dafür, wie Deutschland und andere Länder in Europa umgehen sollen mit dem wahlkämpfenden türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und seinen Ministern. „Erdogans Zorn – lässt sich Europa provozieren?“ fragte Maybrit Illner. Eine Antwort bekam sie am Donnerstag nicht, dafür eine in Teilen hitzige Debatte.

Das lag daran, dass der Erdogan-Verteidiger vom Dienst in den Polit-Talkshows dieser Woche, der deutsche Rechtsanwalt Fatih Zingal, sich irgendwann von CSU-Politikerin Dorothee Bär provozieren ließ. Kein leichtes Unterfangen: Die meiste Zeit saß Zingal, stellvertretender Vorsitzender der Union Europäischer-Türkischer Demokraten (UETD), die Erdogans AKP nahesteht, mit Pokerface in der Runde.

„Sie reden die ganze Zeit und sagen nichts“

Das wiederum provozierte Bär. Die fand, Zingal distanziere sich nicht angemessen von den kruden Beschimpfungen des türkischen Präsidenten und seiner Minister. Sie hatten Deutschland und die Niederlande unter anderem bezichtigt, „Nazi-Praktiken“ anzuwenden, weil ihnen Wahlkampf-Auftritte für die Volksabstimmung zur Verfassungsänderung in der Türkei verwehrt blieben.

Nachdem Zingal tatsächlich zu Beginn der Sendung schon einmal gesagt hatte, dass solche Nazi-Vergleiche „schlichtweg unzulässig“ seien, wollte die frühere Bundespräsidentschaftskandidatin Gesine Schwan von ihm wissen, ob er sich – als Deutscher – von solchen Vergleichen nicht auch angegriffen fühle.

Zingal geht nicht auf Fragen ein

Fatih Zingal setzte bei Maybrit Illner sein Pokerface auf. .
Fatih Zingal setzte bei Maybrit Illner sein Pokerface auf. . © imago/Metodi Popow | imago stock&people

„Ich bin zutiefst traurig, in welcher Situation wir uns befinden“, wich Zingal aus. Und Bär griff an: „Das ist wieder keine Antwort auf die Frage. Sie reden die ganze Zeit und sagen nichts. Fühlen Sie sich angegriffen?“, wollte die Staatssekretärin im Verkehrsministerium wissen, und dann: „Fühlen Sie sich als Türke oder als Deutscher? Das ist nämlich die Frage hier.“

Er fühle sich sowohl als Deutscher als auch als Türke, beantwortete der aufgebrachte Zingal die Frage, die sich in dieser Runde so wohl nur der CSU-Politikerin stellte – und die deutlich machte, welche Verständnisgräben zwischen Bürgen ohne und mit (türkischem) Migrationshintergrund klaffen. Ein Mangel an Verständnis, den Populisten wie Erdogan, Trump, Wilders oder die AfD häufig gut zu nutzen wissen.

Wie zeigt man klare Kante? Mal so, mal so

Ein Rezept gegen Erdogan, das mehrfach genannt wurde, war „klare Kante zeigen“. Wie unterschiedlich man Floskeln füllen kann, bewiesen CSU-Frau Bär und Grünen-Politikerin Claudia Roth. Während Bär sich für ein generelles Verbot von Wahlkampf-Auftritten türkischer Politiker aussprach – „ich möchte nicht, dass die Probleme, die in der Türkei herrschen, in unser Land hereingetragen werden“ – hatte Roth einen anderen Vorschlag.

Die stellvertretende Bundestagspräsidentin sprach einen UN-Bericht über Menschenrechtsverletzungen in den kurdischen Gebieten der Türkei an. „Klare Kante heißt: Wir hören sofort auf, Waffen zu liefern, Rüstungsgüter zu liefern in ein Land, wo mit diesen Waffen Menschenrechte verletzt werden, wo Krieg im eigenen Land geführt wird – das wäre klare Kante.“

Illner-Talk endet mit Appell

Roth stellte außerdem fest:„Ein Riesenproblem ist, dass wir uns abhängig gemacht haben, erpressbar gemacht haben mit einem Flüchtlingsabwehrabkommen.“ Das sieht auch der niederländische Sozialwissenschaftler Ruud Koopmans so. Und lieferte einen der eindringlichsten Appelle des Abends.

Mit Blick auf das Referendum am 16. April sagte er: „Das ist keine freie Wahl. Das ist eine Wahl über die Abschaffung der Demokratie. Das müssen wir verhindern. Die Türkei muss wissen: Wenn mit Ja gestimmt wird, wird die Mitgliedschaft im Europarat suspendiert. Und es muss klar gemacht werden: Das ist das Ende der Beitrittsverhandlungen über die EU-Mitgliedschaft.“ (moi)

Die komplette Sendung in der ZDF-Mediathek.

Türkei: Darum ist Erdogans Referendum so umstritten

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