Berlin. „Ich hätte ihn gewählt“, bekundete der Wirtschaftswissenschaftler Max Otte am Sonntag im ARD-Talk von Anne Will. Gut, dass er da war.

In diesen Tagen blickt die Welt mit einer Mischung aus Staunen und Entsetzen auf die USA. Dort hat es mit Donald Trump ein Mann zum Präsidenten gebracht, der hält, was er verspricht – und ironischerweise gerade deshalb so schockiert. Einreiseverbot, Attacken gegen die Medien, Mauerbau: Die USA befinden sich seit der Amtseinführung von Trump, wie vorher von ihm mit anderen Worten angekündigt, auf dem Weg in die Autokratie.

Für Talkshow-Deutschland sind die Entwicklungen ein Dilemma. Einerseits kommen die großen Sendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht um Trump herum. Andererseits läuft jeder dieser Talks Gefahr, sich in den immergleichen Analysen und Spekulationen zu verlieren. Diesem Spannungsfeld stellte sich am Sonntagabend auch Anne Will wieder: „Die Trumpokratie – Eine Gefahr für die freie Welt?“, fragte die Redaktion.

„Ich hätte Trump gewählt“

Erfrischend an dieser Ausgabe des Trump-Talks war, dass hier ausnahmsweise auch mal ein Trump-Versteher zu Wort kam. „Ich hätte Trump gewählt“, bekundete gleich zu Beginn der Wirtschaftswissenschaftler Max Otte. Um dann hinterherzuschieben, dass Clinton die schlechtere Präsidentin gewesen wäre, weil sie vom Geld der Reichen abhänge.

Moderatorin Anne Will debattierte am Sonntagabend über Donald Trump.
Moderatorin Anne Will debattierte am Sonntagabend über Donald Trump. © imago/Horst Galuschka | imago stock&people

Der Geldbeutel als Kriterium für die Tauglichkeit zur Macht? Natürlich konnte man viele Details von Ottes Ausführungen fragwürdig finden. Dass Trump einen harten aber am Ende doch fairen Wahlkampf geführt habe. Dass sein Chefstratege, der Rechtsaußen Stephen Bannon, „interessant“ sei. Dass Trump viele Posten seines Kabinetts „gut besetzt“ habe. Dass seine Ausfälle gegen Mexikaner und andere Migranten „kein Rassismus, sondern nur Populismus“ gewesen seien.

Kann man sich Trump so schönreden?

Und doch waren Ottes Wortmeldungen erfrischend. Das lag zum einen daran, dass er teilweise durchaus den Finger in Wunden legte. Trumps Ablehnung der Geheimdienste erklärte Otte beispielsweise damit, dass diese häufiger – Stichwort: Irakkrieg – gelogen hätten. Als er in diesem Zusammenhang gar von einer „versteckten Macht“ im Staat sprach, die besser kontrolliert werden müsse, sprach er vielen Liberalen aus der Seele.

Allerdings konnte eine solche Argumentation nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Trump selbst bei den Geheimdiensten nicht um hehre demokratische Ziele geht. Denn natürlich sind sie nur deswegen in seinen Fokus geraten, weil sie sich gegen ihn gestellt haben. Und so waren Ottes Gedanken am Ende vor allem aus einer soziologischen Perspektive interessant: Wie kann sich selbst ein hochgebildeter Mensch Donald Trump schönreden? Ottes Ausführungen beantworteten diese Fragen.

Wer steht zu Trump?

Doch kann das wirklich funktionieren? Der Rest der Runde war zu Recht nicht überzeugt. „Es liegt ein schleichender Staatsstreich vor“, fasste der Historiker Heinrich August Winkler die alarmierte Stimmung der Runde zusammen, zu der auch noch Justizminister Heiko Maas, die Politikwissenschaftlerin Sylke Tempel und der Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff gehörten.

„Es liegt ein schleichender Staatsstreich vor“, meint der Historiker Heinrich August Winkler.
„Es liegt ein schleichender Staatsstreich vor“, meint der Historiker Heinrich August Winkler. © imago/STAR-MEDIA | imago stock&people

Die interessanteste Analyse lieferte in der weiteren Debatte Tempel, die empfahl, Trumps Wähler endlich nicht mehr nur als „die Abgehängten“ zu bezeichnen. In Wahrheit rekrutierten sich die Unterstützer des US-Präsidenten nämlich auch aus gut situierten bürgerlichen Schichten, denen es um die Zerstörung der Demokratie gehe. „Sie setzen zum Beispiel auf Rassismus und Ausgrenzung“, beschrieb Tempel die Gruppe, die von normalen demokratischen Kräften im Unterschied zu den Abgehängten nicht mehr angesprochen werden könnten.

Das Fazit

Um Trump-Talks werden wir in den nächsten Monaten und Jahren nicht herumkommen. Allerdings zeigte diese Ausgabe von „Anne Will“, dass es dabei mindestens einen Gast braucht, der sich nicht der Mehrheitsmeinung über den Präsidenten anschließt. Denn so richtig diese ist: Eine Diskussion, in der sich alle Teilnehmer beständig in der kritischen Analyse von Donald Trump überbieten, ist schnell ermüdend.

Am Ende war es daher ein Geschenk für die Sendung, dass sich Otte bereitfand, als Trump-Versteher aufzutreten. Seine Sympathien für den Präsidenten waren dabei kaum nachvollziehbar. Trotzdem war es gut, dass er da war.

Die „Anne Will“-Sendung in der ARD-Mediathek