Berlin. Ein Vater schickt seine Kinder ins Exil und lässt seine Frau zurück. Das ist der Zweiteiler „Landgericht – Geschichte einer Familie“.

Inzwischen hat man fast schon Angst davor, wenn wieder mal ein „Event“-Film zum Thema Nationalsozialismus angekündigt wird. Stets warten dann die immer gleichen Signalbilder auf den Zuschauer: bunte Nazi-Fahnen, SA-Aufmärsche, zertrümmerte jüdische Geschäfte, Bücherverbrennungen mit Fackelzug. Wie angenehm ist es da doch, wenn ein Regisseur wie Matthias Glasner („Der freie Wille“) auftaucht, der auf standardisierten Historienbombast ausdrücklich verzichtet, um sich ganz auf seine Figuren zu konzentrieren.

Es gibt wahrlich genug zu erzählen von der vierköpfigen Familie des jüdischen Richters Richard Kornitzer (Ronald Zehrfeld), die im Dezember 1938 plötzlich auseinandergerissen wird. Glasners zweiteiliger Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Ursula Krechel, der 2012 den deutschen Buchpreis erhielt, und erzählt von der schleichenden Entfremdung von vier Menschen.

Ehefrau Claire hat das schlimmste Los gezogen

Die beiden Kinder bekommen gerade noch einen Platz auf dem Kindertransport nach England, wo sie in Familien untergebracht werden. Richard erhält nur ein einziges Visum für Kuba, er ist gezwungen, seine nicht-jüdische Ehefrau Claire (Johanna Wokalek) zurückzulassen, die sich jetzt allein durchschlagen muss. Es erweist sich sehr schnell, dass sie das schlimmste Los gezogen hat.

Glasner und die Drehbuchautorin Heide Schwochow erlauben sich nur eine Rückblende, ansonsten wird chronologisch erzählt. Ganz ohne Hast und ohne schnelle Schnitte wird dabei versucht, die Schicksale der einzelnen Familienmitglieder nicht aus den Augen zu lassen. Wir sehen die Kinder, die aus der ersten Familie flüchten, um sich nach London durchzuschlagen, um dann dort drei Jahre auf der Straße zu leben.

Der Regisseur bewältigt viel Stoff in wenig Zeit

Wir begleiten Richard, der unter der Hitze Kubas leidet, dafür aber rasch eine Anstellung als Berater eines Rechtsanwalts erhält. Die Helligkeit der Karibik steht im starken Kontrast zu den dunklen Tagen Claires, die schon bald aus der Wohnung geworfen wird. Ihre Einrichtung muss sie für einen Spottpreis veräußern, um dann auch noch vom Blockwart vergewaltigt zu werden.

Es ist erstaunlich, wie geschmeidig der Regisseur mit seiner Stofffülle umgeht und dabei doch nur wenig mehr als drei Stunden zur Verfügung hat. Am Ende hat keiner mehr Kontakt zu den anderen, auch Richard nicht, der sich schließlich auf Kuba in eine Lehrerin verliebt und mit ihr ein Kind hat.

Erfrischend altmodisch erzählt

Zehn Jahre sind vergangen, als die Eheleute sich zum ersten Mal wiedersehen, als Richard nach einer Karte von Claire aus Pflichtbewusstsein heimkehrt, um wieder als Richter tätig sein zu können. Die Kinder haben sie verloren, die betrachten die Eltern inzwischen als Fremde. Und bei Richard, der die Distanz zu seiner Frau nie mehr richtig überwinden kann, wächst der Frust, mit all den alten Nazis arbeiten zu müssen, die längst wieder in ihren Amtsstuben sitzen.

Fazit: Ein starkes Stück Fernsehen, aufregend bis zum Schluss, aber erfrischend altmodisch erzählt. Bis in die Nebenrollen hinein prominent besetzt (2. Teil am Mittwoch, 20.15 Uhr).

Montag, 30. Januar, ZDF, 20.15 Uhr