München . Der Münchner „Tatort: Klingelingeling“ spielt im Milieu der Bettelmafia. Die Ermittler liefern dabei ein versöhnliches Finale zum Fest.

Eine Babyleiche liegt auf dem Kirchenboden, und man fragt sich, warum uns ausgerechnet der Weihnachts-„Tatort“ aus München derart in die Magengrube boxt. „Klingelingeling“ knöpft sich die Schmuddelgeschäfte der rumänischen Bettelmafia vor und spießt die sozialen Widersprüche rund ums Fest plakativ auf.

Ein löbliches Unterfangen, bei dem man weiß Gott kein Wohlfühlkino erwartet. Doch Regisseur Markus Imboden scheinen die Abgründe, in die er blicken muss, so tief, dass er zur Vorsicht allerlei Polizeimätzchen drumherum inszeniert: eine Heiterkeitsspritze als Kontrastmittel gegen die Depression, die das finstere Drama eigentlich auslöst.

Moderne Sklaventreiberei

Imboden und Drehbuchautorin Dinah Marte Golch blicken auf das Schicksal der beiden rumänischen Schwestern Tida (Matthilde Bundschuh) und Anuschka (Cosmina Stratan) auf der Flucht durchs winterliche München. Tida ist hochschwanger, hat Angst, dass Radu, der Boss ihrer Bettlergruppe (Florin Piersic) und sein Bruder Calin (Alexandru Cirneala) ihr das Kind abnehmen werden, weil die Stadt das Betteln mit Babys nicht erlaubt. Sie bringt den Jungen in einem Keller zur Welt, ihre Schwester flieht mit dem Säugling, wenig später ist er tot und Calin verschwunden.

Das Trauerspiel unterbricht die Weihnachtsfeierlichkeiten auf dem Revier. Gerade noch lauschten die alten Münchner Buddys Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) dem inbrünstig vorgetragenen Geträller des Polizeichors und maulten über ihre Wichtelgeschenke, schon waten sie durch den Sumpf aus menschlichem Elend und moderner Sklaventreiberei. Sie bleiben aber Fremde in dieser Geschichte, eher fassungslose Beobachter als aktive Ermittler.

Fehler im System

Wachtveitl und Nemec schalten bei allem Grauen, dem sie begegnen, eher in den seichten Modus. Sie werden mit ihrem Fall einfach nicht warm, und als Zuschauer spürt man das: Man fremdelt selbst mit dem Gebotenen, weil es irgendwie nicht zusammenpasst.

Der Fehler im System ist die Parallelschaltung der Handlung: hier schicksalsgetränkter Albtraum in einer ungerechten Welt, dort Witzchen über nervende Mütter, die Söhnen seit Jahren den falschen Christstollen schenken und Späßchen mit einem Obdachlosenduo (launig: Ferdinand Dörfler und Wolfgang Pregler), das auf dem Friedhof residiert. Die ungesunde Mischung verdirbt den Krimi.

Angst, Verzweiflung und Ohnmacht

Imboden gelingen starke Momente, wenn er Angst, Verzweiflung und Ohnmacht der Frauen ins Bild rückt, deren Darstellerinnen Großes vollbringen, wenn er den seelischen Schmutz aus den düsteren Ecken ans Licht zerrt, die Ausbeutung greifbar macht. Und wenn er die archaischen Gesetzmäßigkeiten einer Bettelbande vorführt, an deren Spitze ein brutales Regiment herrscht, das vermeintliche Versager straft und Denunzianten belohnt. Florin Piersic legt als Radu eine diabolische Nummer hin, die in ihrer leisen Art frösteln lässt, ehe es zur Explosion kommt.

Peter von Haller treibt München dazu mit seinen kalten Bildern die Heimeligkeit aus: Um diese Stadt müsste das Christkind einen großen Bogen machen. Dafür werden wenigstens Batic und Leitmayr zu guter Letzt noch zu echten Weihnachtsmännern: Ein versöhnliches Finale zum Fest ist doch Pflicht.

Fazit: Starkes Thema, falsche Tonlage.

ARD, Montag, 26.12., um 20.15 Uhr