Berlin. Das ZDF schaute mit Markus Lanz auf die „Menschen 2016“ zurück. Da durfte auch Europas Schmähkritiker Jan Böhmermann nicht fehlen.

Das Jahr 2016 hat der Menschheit so viel abverlangt – und jetzt auch noch das: Cristiano Ronaldo stinkt. Oder, um genau zu sein, seine Hand tut es. Nicht nach Schweiß oder Leder von einem der vielen Fußbälle, mit denen der eigentlich so gepflegte Vorzeige-Sportler täglich in Berührung kommt. Nein, Ronaldo riecht nach „sportlichem Parfüm“.

Und wer könnte das besser beurteilen als Zoé Stehle? Das Mädchen aus Überlingen, neun Jahre alt, hat dem Portugiesen beim Europameisterschaftsfinale gegen Frankreich auf dem Weg ins Stadion die Hand gehalten. Und sich damit für einen Auftritt bei Markus Lanz’ „Menschen 2016“ qualifiziert.

Mit Aufzeichnung lange gewartet

Zoé Stehle, hier mit Fußballer Joshua Kimmich (l.) und Handballtrainer Dagur Sigurdsson, findet, dass Christiano Ronaldos Hand stinkt.
Zoé Stehle, hier mit Fußballer Joshua Kimmich (l.) und Handballtrainer Dagur Sigurdsson, findet, dass Christiano Ronaldos Hand stinkt. © ZDF und Sascha Baumann | Sascha Baumann

Während Zoes Auftritt und ihr Bekenntnis, sich nach der Begegnung mit Ronaldo einen Tag lang nicht die Hände gewaschen zu haben, für größtes Vergnügen beim Publikum sorgen, beginnt die Sendung am Donnerstagabend mit dem gefühlten Gegenteil. „Es war ein schwieriges, verstörendes Jahr“, sagt der Moderator. „Deswegen haben wir mit den Aufzeichnungen so lange gewartet wie noch nie.“

Die Entscheidung erscheint richtig, und so startet „Menschen 2016“ nicht auf großer Bühne, sondern in kleinem Studio – mit dem Thema, das Deutschland derzeit wie kein anderes bewegt. Der Terroranschlag von Berlin, das aktuellste Attentat nach denen von Brüssel, Nizza, Istanbul und vielen weiteren.

Erinnerungen an Anschlag von Nizza

Lanz hat die Reporterin Janine Konopka ins Studio eingeladen, sie war im Juli mit ihrer Mutter in Nizza unterwegs, als ein Lkw in die Menschenmenge rast und 86 Menschen tötet. Die Frauen können sich in ein Restaurant flüchten, „das wenig später einer Leichenhalle gleicht“, erinnert sich Konopka, „weil Tischdecken die Toten abdecken“.

Puh, und wie jetzt die Kurve kriegen? Wie „umschalten“ zur wenige Tage zuvor aufgezeichneten Show mit Stars und Sternchen und viel Publikum? „Es tut der Seele gut“, sagt Lanz, „sich auch den schönen Momenten zu widmen.“ Also, dann mal los.

Lanz entlockt seinen Gästen einige Bekenntnisse

Schöne Momente? Davon können die Olympioniken Fabian Hambüchen, Kira Walkenhorst und Laura Ludwig sowie Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg genug erzählen. Was sie auch getan haben: Alle vier haben in den vergangenen Wochen viele – sehr viele – Fernsehstudios von innen gesehen.

Nico Rosberg sprach bei „Menschen 2016“ über den intensivsten Moment seiner Rennfahrer-Karriere.
Nico Rosberg sprach bei „Menschen 2016“ über den intensivsten Moment seiner Rennfahrer-Karriere. © ZDF und Sascha Baumann | Sascha Baumann

Markus Lanz, geübt durch seine nach ihm benannte Talkshow, aber schafft es trotzdem, seinen Gästen Bekenntnisse zu entlocken, die so noch nicht publik waren. Oder wer, Hand aufs Herz, hätte geahnt, dass die beiden Beachvolleyballerinnen in einer Turnhalle mit Fototapete trainieren? Oder dass Nico Rosberg in seinem letzen Rennen beim Max-Verstappen-Überholmanöver „den intensivsten Moment“ seiner langen Karriere erlebt? Und Reck-Held Hambüchen im Sport-Abi nur eine Zwei und bei „allen Olympischen Spielen eine andere Freundin hat“? Der Turner schmunzelt bei Lanz’ Bemerkung, seine (aktuelle) Liebste lächelt im Publikum verlegen.

Reinigungskraft ist Gabriels Angst-Gesprächspartnerin

Zwei, die sich (noch) nicht gefunden haben, aber für einen der Höhepunkte in mehr als zwei Stunden Sendung sorgen: Susanne „Ich will auch weiter den Finger in die Wunde legen“ Neumann und Winfried Kretschmann. Die Reinigungskraft ist inzwischen deutschlandweit als Angst-Gesprächspartnerin – oder sollten wir sagen: -gegnerin – von SPD-Chef Sigmar Gabriel bekannt.

„Hat Ihnen das Leid getan?“, hakt Lanz nach Neumanns Demütigung nach. „Er hätte sich vorher ein bisschen erkundigen müssen, wer ich bin!“, sagt sie. Aber hallo, Herr Gabriel! Derzeit sei sie Mitglied in der SPD, aber „wer weiß, wie lange noch“ – denn vielleicht verlässt Baden-Württembergs Ministerpräsident das „Ländle“ ja für Berlin?

Kretschmann spricht schlechter Englisch als Oettinger

Lanz will es ganz genau wissen: „Wären Sie ein guter Kanzler?“ Kretschmann, bescheiden wie ein Schwabe: „Ich glaube nicht – ich kann schlechter Englisch als der Oettinger!“ Und das ist möglich?

Die ehemalige Turnerin Johanna Quaas wagt auch mit 90 Jahren noch was, zum Beispiel einen Fallschirmsprung.
Die ehemalige Turnerin Johanna Quaas wagt auch mit 90 Jahren noch was, zum Beispiel einen Fallschirmsprung. © ZDF und Sascha Baumann | Sascha Baumann

Was noch alles möglich ist in einem Jahr, nämlich außergewöhnlich tragische, regelrecht traumatische, aber ebenso traumhafte Ereignisse, präsentiert Markus Lanz mit Besuchen etwa der Familie Seebuger, die bei der Flut in Braunsbach ihr Hab und Gut verloren hat. Oder in einem Gespräch mit der „rüstigen Rentnerin“ Johanna Quaas, die demnächst nicht zur Konkurrenz wechselt und Kandidatin bei „Bauer sucht Frau“ wird. Die Frau springt vielmehr Fallschirm, denn „mit 90 kann man das noch wagen!“

Hund des Jahres rührt zu Tränen

Und auch das „Tier des Jahres“ erhält seine lobende Erwähnung (und zwar zu Recht): Hund Rubio wartete mehrere Monate lang vor einem argentinischen Hotel auf eine deutsche Stewardess. Taschentuch, bitte! Nachmachen, Männer!

Aber das waren noch längst nicht alle Überraschungen des Abends. So macht Sänger Max Giesinger einen auf Moderator James Corden und adaptiert dessen Carpool-Karaoke. Er singt als Taxifahrer mit Gästen die Hits des Jahres von Justin, Justin und Jennifer.

Kein Jahresrückblick ohne Musik von Max Giesinger

Fließender Übergang vom Video auf die Bühne: Er gibt seinen Hit „80 Millionen“ zum Besten. 80 Millionen Mal gehört dieses Jahr, aber gut – kein Jahresrückblick ohne Giesinger. Auch nicht zu erwarten: Regisseur Simon Verhoven hatte angesichts der wachsenden Flüchtlingsproblematik „ganz schön Schiss“, seinen Film „Die Hartmanns“ ins Kino zu bringen. Kommt schließlich ein Terrorverdächtiger in einem Flüchtlingsheim vor. Vor – und nicht zurückblicken?

Muss. So wie bei Handball-Europameister-Trainer Dagur Sigurdsson, der Lanz bestätigt, dass er jetzt definitiv nach Japan geht. Aber vorher noch den Weltmeistertitel mit der Mannschaft klarmacht! Und bei Joshua („Josua“ gesprochen!) Kimmich, der vielleicht nach China wechselt. Weil ihn die Fans dort als „hübschen, süßen, kleinen Jungen“ vergöttern! Oder weil er so schüchtern ist und bei „Menschen 2016“ kaum ein Wort herausbekommt. Aber das kann ja auch was haben.

Böhmermann beschwert sich über Bundesregierung

Jemanden mit großem Mund hat Lanz nämlich auch noch in der Sendung, kurz nachdem sich Uschi Glas und Chiem van Houweninge von ihrem Schauspielkollegen Götz George verabschieden. Dem Mann, „der immer fair war und Filmküsse nicht ausgenutzt hat, so wie andere Kollegen“, sagt Uschi Glas, der sicher ganz besonders viele Männer hinterhergelaufen sind. Irgendwann einmal.

Europas Schmähkritiker Jan Böhmermann hat seiner Mutter versprochen: Eine Staatskrise pro Jahr reicht.
Europas Schmähkritiker Jan Böhmermann hat seiner Mutter versprochen: Eine Staatskrise pro Jahr reicht. © ZDF und Sascha Baumann | Sascha Baumann

Ja, und dann war da noch Jan Böhmermann, Europas erster Schmähkritiker, der auch am Donnerstagabend nicht mit seiner Kritik hinter dem Fernsehbildschirm hält. „Eine Staatskrise pro Jahr, das habe ich meiner Mutter versprochen“, reiche zwar. Doch sogleich beschwert sich der Komiker wieder, dass sich die Bundesregierung nach dem Skandal um seine Person „so defensiv“ verhalten habe, „Deutschland sei schließlich das Land der Dichter und Denker!“ Lanz, ganz cool: „Ach komm!“ Aber klar, Böhmermann hätte, wenn er Kanzlerin oder türkischer Staatspräsident gewesen wäre, nach allem natürlich „nichts gemacht“. Genau.

Wie dem auch sei. Vielleicht reichen sie sich ja eines Tages, möglicherweise bei „Menschen 2023“ oder so, doch noch mal die Hände. Mit oder ohne „sportlichem Parfüm“.