Essen. Kaum ein Tier wird derart mystifiziert wie der Wolf – meist kommt er dabei schlecht weg. Arte widmet eine Doku seinem wahren Wesen.

Das Tier erhitzt die Gemüter. Seit dem Fall der Mauer ist der Wolf zurück in Deutschland. Erst waren es einzelne Exemplare. Am 29. Oktober 2016 zählt der Freundeskreis freilebender Wölfe e. V. bereits 70 Rudel. Zur Freude der Naturfreunde und Artenschützer, zum Entsetzen der Bauern. Erst vergangene Woche protestierten Schäfer und Landwirte vor dem Landtag in Hannover mit Kadavern gerissener Tiere gegen die ihrer Meinung nach viel zu laxe Politik im Umgang mit hungrigen Wölfen.

In dieser aufgeheizten Stimmung kommt die Arte-Dokumentation „Die Odyssee der einsamen Wölfe“ zur richtigen Zeit. Regisseur Volker Schmidt-Sondermann beschreibt darin sehr detailliert, wissenschaftlich fundiert und dennoch mitreißend die Rückkehr des umstrittenen Raubtiers nach Zen­traleuropa – anhand dreier Wanderwölfe.

Rotkäppchen ist schuld am schlechten Image

Ligabue, Alan und Slavko sind die Namen der realen Tiere, deren Wanderschaft dank GPS-Halsbändern genauestens rekonstruiert und für den Dokumentarfilm nachgestellt werden konnte. Darin überwinden die Wölfe aus Italien, Deutschland und Slowenien nicht nur mehr als 1000 Kilometer, sondern auch Gebirge, Flüsse und den „Zivilisationsdschungel der Menschen“, wie es im Off heißt.

Auf diese Weise geht der Film dem Phänomen des einsamen Wolfes nach: Einzelne Rüden trennen sich für die Suche nach einer Partnerin von ihrem Rudel und nehmen die gefahrvolle Reise auf sich. Ganz beiläufig vermittelt die Doku auch die gemeinsame Kulturgeschichte, die den Stammvater des Hundes mit uns Menschen verbindet. Vor 14 000 bis 16 000 Jahren als erstes Tier domestiziert, wurde der Wolf spätestens „seit dem Mittelalter dämonisiert, verfolgt und getötet“. 1904 wurde in Deutschland das letzte Exemplar geschossen.

Nicht überall wird der Wolf verteufelt

Aber nicht überall wird der Wolf verteufelt. Warum er in unterschiedlichen Ländern einen unterschiedlichen Stellenwert bei den Menschen besitzt, wird auch mit Legenden und Märchen begründet. Während in Italien die Sage der von einer Wölfin geretteten Brüder Romulus und Remus für ein eher positives Image sorgte, herrschte hierzulande lange ein Schreckensbild, ausgelöst von Märchen wie Rotkäppchen und dem Werwolf-Mythos. Urangst Wolf – die Doku macht sie durch eingespielte Szenen aus Schauerfilmen greifbar.

Im Mittelpunkt steht aber die mit dressierten Wölfen nachgestellte Reise der tierischen Protagonisten, die von Wissenschaftlern fachkundig begleitet und erläutert wird. Im Gegensatz zu vielen US-Tierfilmern machen die Produzenten ihre Vorgehensweise transparent. Es entstehen beeindruckende Bilder, die vor allem ein Gefühl erzeugen: Respekt. Wohltuend: die Stimme des Erzählers Dietmar Wunder, der auch „James Bond“ Daniel Craig synchronisiert.

Fazit: Unbedingt anschauen! Diese Wolfs-Doku bietet nicht nur einmalige Naturaufnahmen, sondern auch viel Hintergründiges zur komplexen Beziehung zwischen Wolf und Mensch.

Dienstag, 20. Dezember, Arte, 20.15 Uhr