Berlin. Die Österreicher haben einen neuen Tiefschlag für die EU verhindert. Bei Anne Will erhielt die Kanzlerin Kritik von ungewohnter Seite.

Europa ist noch mal davon gekommen: Der Rechtspopulist und EU-Kritiker Norbert Hofer hat die Wiederholung der Präsidentenwahl in Österreich gegen den Kandidaten der Grünen, Alexander Van der Bellen, verloren. Der nächste schwere Schlag für die Europäische Union ist damit abgewendet. In Italien droht derweil allerdings weiter Ungemach: Hier ist der Europafreund Matteo Renzi mit einer zentralen Verfassungsreform gescheitert.

Die österreichische Schlacht mag also gewonnen sein, der Krieg ist es aber noch lange nicht vorbei. Spätestens nach dem Brexit-Votum ist klar, dass das Gemeinschaftsprojekt gefährdeter ist denn je. „Europa auf der Kippe – Welche Werte einen uns noch?“, fragte passend dazu am Sonntagabend Anne Will.

Die Kritik des Abends

Eine demütige Haltung nahm trotz des pro-europäischen Votums in Österreich Ursula von der Leyen ein. „Es gibt eine Wut gegen Europa und das Establishment, das muss man ernst nehmen“, sagte die Verteidigungsministerin. Schuld daran sei allerdings nicht die EU, sondern in erster Linie die Nationalstaaten. „Europa ist nicht schlecht, wir müssen es nur in die Lage versetzen, die Probleme zu lösen“, befand von der Leyen unter anderem mit Blick auf die Flüchtlingskrise.

In diesem Zusammenhang äußerte die CDU-Politikerin überraschend deutliche Kritik an Angela Merkel. Zum „Wir schaffen das“ der Kanzlerin sagte von der Leyen trocken, dass das ein falscher Satz gewesen sei. Zugleich attestierte sie ihrer eigenen Regierung, nicht genug erklärt und diskutiert zu haben. „Es gab großen Konsens, der macht aber faul, weil man dann einfach weiter macht.“ Noch ein Haken gegen die Kanzlerin.

Die Gegenpole des Talks

Als Gegenpole zur Europaverfechterin von der Leyen traten Ulrike Guérot und Dirk Schümer auf. Sowohl die Politikwissenschaftlerin als auch der Welt-Journalist übten drastische Kritik an der EU, hatten dabei aber völlig gegensätzliche Lösungsvorschläge. „Die Idee der EU ist die Überwindung der Nationalstaaten“, merkte Guérot an. Daher sei es nun an der Zeit, endlich dem Europäischen Parlament mehr Macht und einer neuen EU mehr Kompetenzen zu geben.

„Sie sind wie jemand, der mit dem Auto bei 80 aus der Kurve geflogen ist und es jetzt noch mal mit 130 versuchen will“, mockierte sich Schümer über diesen Vorschlag. Als Erklärung für die Ablehnung der EU führte der Journalist an, dass die EU beim Thema Migration und beim Euro kontinuierlich versagt habe. Doch was genau sich für Schümer daraus ergibt, blieb diffus: Einerseits argumentierte er die ganze Zeit wie jemand, der sich den bedingungslos souveränen Nationalstaat zurückwünscht. Andererseits sagte er von sich, dass er weiterhin an die europäische Idee glaube.

Die Zurechtweisung des Abends

Mit diesem Mix unterhielt Schümer gut, echte Lösungen hatte er allerdings nicht anzubieten. Zudem verharmloste er die FPÖ von Hofer, wo es nur ging. „Das Abendland wäre nicht untergegangen wenn Hofer Bundespräsident geworden wäre“, sagte Schümer. Seine Partei sei schließlich längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Dass sie verloren habe, sei auf die Schließung der Balkanroute zurückzuführen: „Die FPÖ hat mit der Umsetzung ihrer Forderung triumphiert, daher war es für die Wähler egal, für wen sie stimmten.“

Mit dieser kruden These brachte Schümer von der Leyen gegen sich auf. „Das ist jetzt schon ein bisschen arrogant zu meinen, dass die Wähler nicht mehr unterscheiden konnten.“

Die gute Nachricht

Bei allem Faible für den Untergang, es gab sie tatsächlich, die gute Nachricht des Abends: Die Wahl in Österreich scheint dieses Mal Bestand zu haben. „Ich denke nicht, dass etwas schieflaufen kann. Wir haben die Wahlkarten technisch und mechanisch überprüft“, gab sich Innenminister Wolfgang Sobotka selbstbewusst. Na dann, hat ja auch lange genug gedauert.

Zur Ausgabe von „Anne Will“ in der ARD-Mediathek.