Berlin. Mit „The Grand Tour“ wagt Amazon eine Fortsetzung der Erfolgsserie „Top Gear“. Die Serie übertrifft den Vorgänger in allen Belangen.
Der gleichzeitig umstrittenste wie auch beliebteste Autotester der Welt ist zurück mit einer neuen Show: Jeremy Clarkson hat sein Debüt mit „The Grand Tour“ beim Streaming-Dienst Amazon Prime gefeiert. Nach Angaben des Video-Anbieters war die erste Folge der Show, die am vergangenen Wochenende Premiere gefeiert hat, der erfolgreichste Serienstart bei Amazon Prime.
Gut ein Jahr mussten Fans von Clarkson und seinen Mitstreitern Richard Hammond und Jamey May auf neues Material warten. Im März 2015 war Clarkson bei der BBC nach mehreren Ausfällen vor und hinter der Kamera gefeuert worden. Die Clarkson-Show „Top Gear“ lief mit andere Besetzung weiter, war aber nie so beliebt wie das Original.
„The Grand Tour“ startet wo „Top Gear“ aufgehört hat
An genau diesem Zeitpunkt setzt das kinoreif gefilmte Intro von „The Grand Tour“ an: Jeremy Clarkson tritt in den strömenden Regen von London und macht sich auf den Weg zum Flughafen. Das Ziel: Los Angeles. Es wirkt wie die letzte Reise eines aus der Zeit gefallenen TV-Moderators in seinen Ruhestand. Im Hintergrund sind Nachrichtenmeldungen zu hören: „Das war es für Clarkson“, sagt ein Sprecher mit Blick auf Clarksons Abschied von der beliebten Vorgänger-Show „Top Gear“.
Doch so tritt Clarkson nicht ab. In L.A. schnappt er sich einen Ford Mustang mit Hunderten PS, auf der Schnellstraße treten zwei weitere Fahrzeuge aus dem Windschatten. Am Steuer sitzen Hammond und May.
Kinoreif inszenierte Herrenwitze
In genau dieser aufwendig gefilmten Auftaktszene ist er wieder da: der Herrenwitz auf vier Rädern. Und er ist deftiger, selbstironischer und besser als je zuvor. So ist die erste Folge der „Grand Tour“ voll von Anspielungen auf „Top Gear“ und Clarksons Scheitern dort. So werden die Moderatoren Hammond und May als Männer vorgestellt, die bei mehreren seriösen Automagazinen gefeuert worden seien. Nur Clarkson sei der einzige, der noch nie seinen Job verloren habe.
Eine weitere Spitze auf die Moderatoren schießt der neue Testfahrer Mike Skinner ab. Der US-Amerikaner ersetzt den meist anonymen Fahrer „The Stig“ aus „Top Gear“ und fährt einen ziemlich sinnlosen Autotest auf einer Rennstrecke, die zwischen Schafsweiden und einer Lichtung mit Wildwechsel liegen. Zur Wahl des Autos sagt Skinner: „Wer hat den ausgesucht, der Lulatsch, der Zwerg oder der mit der Weiberfrisur?“. Er meint Clarkson, Hammond und May.
Clarkson verarbeitet VW-Skandal
Das gewählte Auto ist ein BMW M2. Ausgerechnet ein BMW, werden Fans der Serie sagen. Die Fahrzeuge aus Bayern hatte der Hauptmoderator bei „Top Gear“ einst als „Nazi-Wagen“ bezeichnet. Auffällig ist auch, dass deutsche Fahrzeuge generell eine große Rolle in „The Grand Tour“ spielen.
Während eines Einspielers zum Hybrid-Sportwagen Porsche 918 fragt Clarkson etwa nach dem Verbrauch. „Er verbraucht drei Liter“, antwortet Hammond. „Wem gehört nochmal Porsche?“, fragt Clarkson. „VW“, antwortet Hammond und lässt dem Zuschauer dann ausgiebig Zeit, die Anspielung auf die Schummeleien des Herstellers bei Angaben zu Verbrauch und Abgasen zu verstehen.
Guter Journalismus trifft dreiste Verbalattacken
Zugegeben, an manchen Stellen übertreiben die Machen von „The Grand Tour“. Sie reisen – wie sie selbst politisch unkorrekt sagen – „wie Zigeuner“ um die Welt oder fragen sich, ob man sich vor Angst zu Tode „sch.....“ kann. Doch mindestens genau so häufig steht die Sendung auch für richtig guten Journalismus.
Wo andere Automagazine gefällige Berichte über Traumwagen veröffentlichen, ohne den Testwagen selbst gefahren zu haben, geizen die Engländer nicht mit Kritik und decken die Praktiken der Automobilbranche auf. Und so wird zum Beispiel Ferrari zur Zielscheibe, die von Verbalattacken getroffen wird, wie eine Windschutzscheibe bei einem Steinschlag.
„The Grand Tour“ verpackt Ehrlichkeit im Sinnlosen
Clarkson, Hammond und May führen einen Vergleich zwischen dem Porsche 918, einem McLaren P1 und dem „LaFerrari“ so durch, dass der Italiener nur verlieren kann. Weil Ferrari sich nicht um eine Zulassung gekümmert hat, findet ein Test zum Beispiel auf einer öffentlichen Straße statt. Mit einem anderen Modell – dem 488 – wird an anderer Stelle abgerechnet, weil Ferrari keine Rundenzeiten auf einer Rennstrecke messen lassen will.
Diese Ehrlichkeit im Sinnlosen bringt „The Grand Tour“ 9,8 von 10 Punkten in der Filmdatenbank Imdb.com ein. Nach Angaben von Amazon ist das die höchste bisher vergebene Wertung für eine Serie. In der ersten Staffel sind insgesamt zwölf Folgen geplant. Doch in der Sendung sagte Jamey May: „Diesen Einspieler werden Sie die nächsten zwei Jahre sehen“.