Essen . „Ein Teil von uns“ ist ein brillant gespieltes Drama. Eine obdachlose Mutter taucht plötzlich auf und bringt alles durcheinander.

Für Nadja (Brigitte Hobmeier) geht es voran im Leben. Auch bei ihrem Bruder läuft alles; er heiratet gerade. Vielleicht lässt sich eine traumatische Kindheit überwinden? Da ist Hoffnung. Doch dann sprengt eine betrunkene Obdachlose die Hochzeit, randaliert und krakeelt, droht alles zu ruinieren. Jetzt ist die Familie vollzählig, Mutter Irene (Jutta Hoffmann) ist erschienen.

Es ist nicht die erste Katastrophe im Leben der Geschwister. Nur ein neuer Höhepunkt. Und wie immer liegt es an Nadja, das Schlimmste zu verhindern und die Mutter aufzufangen. Doch deren Alkoholsucht und ihr psychotisches Leiden haben auch die Jugend der Tochter verschlungen. Vater und Bruder ließen sie allein – bildlich und ganz konkret. Immer musste sie die Verantwortung übernehmen.

Gedreht wurde im Obdachlosenmilieu

Aber wie, ohne an dieser Last zu zerbrechen? „Sie will meilenweit wegrennen und kommt keinen Millimeter voran“, sagt Brigitte Hobmeier über ihre Rolle. Gerade als Nadja einen erfüllenden Job findet und sich für eine Partnerschaft öffnet, bricht die Vergangenheit wieder grölend und fluchend und blutend in ihr Leben.

Der Film von Regisseurin Nicole Weegmann („Mobbing“) nach dem Drehbuch von Esther Bernstorff („Meine Schwestern“) wirft schwere Fragen auf. Nach der Verantwortung der Kinder für ihre Eltern, dem Umgang mit psychischen Leiden und Suchterkrankungen, aber auch dem Recht auf Selbstschutz. Der soziale Absturz eines Familienmitglieds und die Folgen für die Beteiligten werden authentisch dargestellt. Auch, weil das Team nicht davor zurückscheute, selbst auf die Straße zu gehen. „Wir haben das Obdachlosenmilieu an Originalschauplätzen und teilweise mit Laien aus dem Milieu gedreht“, berichtet Produzentin Kerstin Schmidbauer.

Film steht und fällt mit Leistungen der Schauspieler

Ein solcher Film steht und fällt mit den Leistungen der Schauspieler. Und die sind – kurzum – herausragend. Da ist Brigitte Hobmeiers Darstellung von Nadja – deren Leben wieder und wieder von der Mutter in den Abgrund gerissen wird, die aber nicht wegschauen kann. Sie ist gefangen in einem Konflikt zwischen Verantwortungsgefühl und der Angst vor dem eigenen Untergang. In jedem Ausdruck von Brigitte Hobmeier, gerade in den kleinen und zurückgenommenen, liegt tiefste Emotionalität.

Und dann ist da Jutta Hoffmann, die mit Irene eine vielschichtige, vulgäre, mitleiderregende und erschreckende Figur so überzeugend spielt, dass man bis zum Ende nicht abschätzen kann, wie dieser Film ausgeht. Brigitte Hobmeiers und Jutta Hoffmanns Leistungen zählen zum Eindringlichsten, was das TV-Jahr zu bieten hat. Und so ist „Ein Teil von uns“ ein harter, ein schonungsloser Film, der Tabuthemen nicht nur streift, sondern durcharbeitet, ein Film, von dem man ebenso wenig loskommt, wie Nadja von ihrer Mutter.

Fazit: Intensiv, hochemotional, zutiefst bewegend und exzellent besetzt: ein Familiendrama um Verantwortung, Scham und den Teufelskreis von Krankheit und Sucht.

Mittwoch, 16. November, ARD, 20.15 Uhr