Essen . Mala Emde als Lolita, eine Explosion, ein Stalker und Ulrich Noethen als Psychiater – der neue ZDF-Krimi will viel. Und übernimmt sich.

Was wären auf Serientätigkeit abonnierte Krimihelden ohne jene eigenwillige Magnetwirkung, die ihr Beruf zuverlässig auf den Rest der Welt ausübt? Da macht selbst ein Nobelpsychiater mit hamburgischem Großbürgerwohnsitz keine Ausnahme. Ja, diesmal rennt das Verbrechen Joe Jessen regelrecht die Tür ein. Blutverschmiert steht das Mädchen Sina auf Jessens Veranda. „Traumatisiert“, sagt der Experte mit Kennerblick und geht an die Arbeit.

Jessen kennt Sina bereits, sie geht mit seiner Tochter zur Schule: Typ Lolita. Als Jessen sie ein Stück im Auto mitnimmt, wechselt sie ungeniert auf dem Rücksitz ihr Oberteil („Nich’ gucken, Herr Doktor!“). Das ist noch vor Sinas Auftritt in Jessens Garten. Das blonde Opfer flieht ins Dunkel, Jessen eilt ihr nach – in den tiefen Wald, denn wo sonst ist das Verdrängte in deutschen Seelen zu Hause?

Schwache Schauspieler um Ulrich Noethen

Mit „Todeswunsch“ wird die Reihe um den parkinsonkranken Psychiater von der Elbe fortgesetzt. Freilich wünscht man einem deutschen Ausnahme-Schauspieler wie Ulrich Noethen (Jessen) angesichts des jüngsten Falles ein Format, das ihm gerecht wird. Hier glückt es nicht, das hat viele Gründe.

Einerseits ist auch ein Großer nur so gut wie seine Sparringspartner. Diesmal aber bleibt das Format „Neben der Spur“ (der Charme des Titels immerhin nutzt sich nicht ab) darstellerisch unschön viel schuldig. Dass Jürgen Maurers Kommissar Ruiz im stumpf-bockigen Spiel ein armer Silbenschlucker bleibt und Petra van de Voort als Jessens Gattin die Grenze von der Dekoration zum Charakter nie überschreitet, daran hat man sich gewöhnt. Doch auch sonst agieren im jüngsten Fall beklemmend schwache Schauspieler.

Noethens diskrete Intensität

Umgekehrt will sich zu einem Darsteller, dessen Stärke gerade eine menschliche Intensität der diskreten Art ist, jene Wucht nicht fügen, mit der die Psychothriller des Aus­traliers Michael Robotham aufgeladen sind. Auch dieses Spiel hat nur 90 Minuten, aber Joe Jessen erleidet einen Nervenzusammenbruch, die Seinen werden Opfer eines gefährlichen Stalkers, der Seelendoktor wird fast über den Haufen gefahren, er entgeht einer Explosion, und dann gibt es auch noch ein Messer in den Bauch.

Es scheint, als hätten Buch (Mathias Klaschka) und Regie (Thomas Berger) schlicht das Gefühl verloren dafür, wie filigran es sein kann, filmisch „neben der Spur“ zu ermitteln. Unter diesem Eindruck überrascht es kaum mehr, dass Christoph Zirngibls Musik die Szenen mit einem an akustische Völlerei grenzenden Maß überfüttert. Die optische Güte, die der Reihe von Anfang an zu eigen war, ist immerhin konstant. Augenweiden zwar: Doch sind die hochfliegend-ästhetischen Bilder aus Hamburg letztlich seltsam verkehrt für eine böse Geschichte, die nach Schmutz in der Mitte der Gesellschaft buddelt.

Jessens Spuren übrigens führen in Sinas Schule. Dort wird „Romeo und Julia“ geprobt: heftig die Liebe, schlimm das Ende. Eine große Tragödie bekanntlich, ein missratener Film ist dagegen eine sehr kleine.

Das Fazit: Der Zuschauer sieht eine üppig aufgeladene Story, die vergisst, dass ein Psychiater keine Metzgerei betreibt.

ZDF, Montag, 13. November, 20.15 Uhr