Essen. . „Schweigeminute“ erzählt von der Liebe zwischen einer Lehrerin und einem Schüler. Der Film beruht auf einer Novelle von Siegfried Lenz.

Sympathisch sind sie meist nicht, die Frauen, die Julia Koschitz (41) verkörpert. Ob eine Stasi-Agentin in „Unsichtbare Jahre“ (ARD) oder eine Bankerin in „Vertraue mir“ (ZDF): Es sind eigenwillige und vielschichtige Figuren, die vage in ihren Absichten bleiben und den Zuschauer auf Distanz halten.

Auch aus der Englischlehrerin Stella, die im ZDF-Melodram „Schweigeminute“ aus London in ihren selbstgenügsamen Heimatort an der Ostsee zurückkehrt, wird man nicht schlau. Stella beginnt eine Affäre mit ihrem 18-jährigen Schüler Christian (Jonas Nay), bringt den jungen Mann fast um den Verstand, macht sich zum Skandal des Ortes – warum diese Amour fou? Lust, Langeweile, Liebe? „Stellas Motive bleiben im Unklaren“, sagt Julia Koschitz unserer Redaktion. „Sie gibt der Verbindung keinen Namen, macht Christian keine Versprechen.

Vorlage war eine Novelle

Sie lässt die Dinge laufen, lebt im Moment. Natürlich ahnt sie, was sie damit in Christian und in dem Dorf auslöst. Aber letztlich kann sie ihm nicht widerstehen.“ „Schweigeminute“ ist die Verfilmung einer Novelle von Siegfried Lenz und hält sich eng, wenn auch nicht akribisch an die Vorlage. Das Projekt hatte Bernd Eichinger vor seinem Tod angestoßen, Produzent Oliver Berben vollendete es.

„Ich habe, als das Angebot kam, die Novelle gelesen und direkt zugesagt, ohne ein Drehbuch gesehen zu haben“, sagt Koschitz. „Ich lernte Stella daraufhin kennen, so wie ich einen fremden Menschen kennenlerne.“ Dann habe sie ihre eigene Version der Figur gestaltet: „Sie ist selbstbestimmt und unangepasst, das fasziniert mich an ihr.“

Regisseur Thorsten M. Schmidt erzählt in behutsamen Bildern

So verweigert sich Stella beim Hafenfest einem rauen Ritual, bei dem ein als Krake verkleideter Mann sie ins Wasser schubsen will. „Ich entscheide selber, was ich spiele“, erklärt sie, als ihre Freundin ihr vorwirft, eine Spielverderberin zu sein. Es ist dann das Spiel mit dem Schüler, bei dem sie sich verzockt. Das erzählt Regisseur Thorsten M. Schmidt in behutsamen Bildern, die aus der Zeit gefallen scheinen.

„Es könnte in den 50er- oder 60er-Jahren spielen, genau weiß man es nicht, wir haben uns da bewusst nicht festgelegt.“ Es braucht diese Einordnung nicht, die Geschichte ist universell. Sie ist mehr als die Geschichte einer fatalistischen Liebe.

Der schwere Prozess des Erwachsenwerdens

„Schweigeminute“ erzählt von dem schweren Prozess des Erwachsenwerdens und von der Sehnsucht, sich Leichtigkeit zu bewahren, wenn man denn erwachsen ist. Gedreht wurde auf der dänischen Ostseeinsel Bornholm. „Unsere Statisten waren ausschließlich Bewohner von Bornholm“, sagt die Österreicherin, „ich habe selten so gelassene, geduldige, freundliche und lustige Menschen erlebt.“

Koschitz, derzeit in dem Independent-Familiendrama „Jonathan“ im Kino, achtet darauf, dass sie nicht abonniert wird auf die Rolle der unbequemen Frau in tiefgründigen Geschichten. Sie hätte nichts gegen einen Kino-Blockbuster, sie möge beispielsweise kommerzielle Komödien. Schließlich, erinnert sie, habe sie jahrelang in der Arztserie „Doctor’s Diary“ gespielt. Dann darf es auch wieder ein Charakter sein, der einfach nur sympathisch ist.

ZDF, 31. Oktober, 20.15 Uhr