Essen. Berührende Alltagseinblicke: Die ZDF-Reportage „Fremde in meinem Haus“ erzählt von Deutschen, die mit Asylsuchenden ihr Zuhause teilen.

Vor ein paar Monaten flohen sie noch vor ihren Häschern, jetzt gibt es nun wirklich andere Sorgen: „Bitte kein Plastik! Plastik separat!“, referiert die Niedersächsin Andrea in freundlicher Bestimmtheit. Ein Flüchtling lernt Deutschsein – und das heißt ja Mülltrennen. Andrea aus Göttingen möchte schon, dass die Dinge ihre Ordnung haben. Aliaa aus Syrien nickt. Vielleicht versteht sie sogar das mit dem Deckel vom Joghurtbecher.

Was wir da sehen? „Flüchtlinge mit Familienanschluss“, Deutsche (die Kinder sind längst flügge), die mit Unbekannten unter einem Dach leben. Für „37 Grad“ erzählt Ulrike Baur, was es heißt, „Fremde in meinem Haus“ zu haben.

Im Schatten des Schweinebratens

Da sind die Bayern Susanne und Ulrich. Als sie beschlossen, zwei junge Männer aus Syrien bei sich aufzunehmen, kamen auch schon die guten Ratschläge aus der Nachbarschaft: „Da könnt ihr danach euer Haus renovieren.“ Ulrich seufzt: „Als wäre das eine Horde Wilder!“

Die Kamera, die diese Menschen in ihrem Alltag begleitet, erzählt etwas anderes: Diese beiden Gäste aus Vorderasien führen ein stilles Leben im Schatten von Schweinebraten (!) und Herrgottswinkel — im täglichen Ringen um „Akkusativ und Modalverb“.

Hier wird eine andere Geschichte erzählt

Und Andrea aus Göttingen kann gar nicht so schnell gucken, wie Aliaa und Burtugala (Sudan) immer dazueilen, wenn sie in Haus und Garten Ordnung schafft. Die Mittfünfzigerin wiegt das schwarze Baby Burtugalas. Alle drei wohnen unter Andreas Dach.

Ein Idyll? Gutmenschen-Fernsehen? Sagen wir besser: Hier nimmt sich jemand eine halbe Stunde (viel zu spät platzierter) Sendezeit, einmal andere Geschichten zu erzählen als jene grölender Rechter. Geschichten aus einem krawallfreien Leben, das es seltener in die „Tagesschau“ schafft, wohl auch, weil es seltener ist als die anderen. Sie enden nicht in Brandsätzen auf Heime, sie enden mit einem Praktikum beim Mechatroniker.

Einblicke in deutschen Alltag berühren

So betulich die Erzählstruktur dieses Beitrags ist, so brav die Kamera ihren Dienst versieht, so sehr berühren einen doch zwei Einblicke in einen deutschen Alltag, für den man dankbar ist. Und wie wohltuend normal der sein kann: Dass die syrischen Jungs die Heizungen immer auf volle Pulle anlassen, das nerve schon, sagt Susanne – und lacht. Sie lacht vielleicht auch, weil das schon das allergrößte Problem ihrer neuen Gemeinschaft ist. Manchmal nennt das Ehepaar sie „Söhne“.

Zum Auskommen miteinander gehört auch in diesen Episoden Ehrlichkeit. „Immer nur Asylanten“, sagt die hemdsärmelige ­Andrea, das könnte sie nun auch nicht. Es fuchst sie – deutsch, wie sie ist – , dass das mit der Pünktlichkeit bei Burtugala . . . Na ja, sie sei ja nicht ihre Mama . . . Und wir sehen trotz Aufenthaltsgenehmigung in Aliaas Augen Tränen. Fünf Kinder und einen Mann hat sie in Syrien zurückgelassen. Der Kinder wegen ist Aliaa vorgegangen, „ein Mann kann sie besser beschützen“.

Wacher Blick auf gelebte Alternative

Fazit: Was ist dieser unspektakuläre kleine Film? In einem Land, in dem Skepsis die Willkommenskultur ersetzt hat, mindestens ein wacher Blick auf gelebte Alternativen.

ZDF, 25. Oktober, 22.15 Uhr