Berlin. Das Wagnis der ARD, das Publikum urteilen zu lassen, hat sich gelohnt. Man darf nur nicht die falschen Schlüsse ziehen. Ein Kommentar.

Packender Gerichtsthriller plus „Urteil“ durch die Zuschauer – das versprach eine spannende Kombination. Die ARD traute sich, nach dem Film „Terror – Ihr Urteil“ am Montagabend die Zuseher darüber abstimmen zu lassen, ob der Bundeswehrpilot, der eine von Terroristen gekaperte Passagiermaschine abschoss, schuldig ist oder nicht. Das Experiment ist geglückt – wenn auch mit Einschränkungen.

Der fiktive Fall des Eurofighter-Piloten, der auf eindringliche Weise ein moralisch-ethisches Dilemma aufzeigt, war wie gemacht für eine Abstimmung. Wohl jeder, der bei dem Film eingeschaltet hatte, spürte die eigene Zerrissenheit in der Frage nach Schuld- oder Freispruch. Was spricht dann dagegen, die Zuschauer nach ihrer Einschätzung zu fragen?

Kein Plädoyer für mehr direkte Bürgerbeteiligung

Solch ein Voting hat nichts mit „Volksjustiz“ zu tun, wie es in der anschließenden „Hart aber fair“-Runde bei Frank Plasberg anklang. Anders als Ex-Innenminister Gerhart Baum kritisierte, stimmten die Zuschauer am Montagabend eben nicht über das Grundgesetz ab, ja noch nicht einmal über einen realen Fall.

Es ging um einen Film, auch wenn dieser schnell traurige Realität werden könnte. Hier muss man zwischen Fiktion und Wirklichkeit klar trennen. Als Plädoyer für mehr direkte Bürgerbeteiligung oder für Geschworenen-Prozesse wie in den USA ist „Terror – Ihr Urteil“ deshalb nicht geeignet.

„Terror“ – Das TV-Drama im Gerichtssaal

Die Protagonisten des ARD-Films „Terror“, der auf Grundlage des gleichnamigen erfolgreichen Bühnenstücks von Ferdinand von Schirach entstand: Florian David Fitz (vorn) als Eurofighter-Pilot Lars Koch, sein Verteidiger (Lars Eidinger, li.), die Staatsanwältin (Martina Gedeck) und der Richter (Burghart Klaußner).
Die Protagonisten des ARD-Films „Terror“, der auf Grundlage des gleichnamigen erfolgreichen Bühnenstücks von Ferdinand von Schirach entstand: Florian David Fitz (vorn) als Eurofighter-Pilot Lars Koch, sein Verteidiger (Lars Eidinger, li.), die Staatsanwältin (Martina Gedeck) und der Richter (Burghart Klaußner). © ARD Degeto/Moovie GmbH | Julia Terjung
Der gesamte Film spielt in einem Gerichtssaal. Die Frage, die zu klären ist: Durfte der Pilot die von einem Terroristen gekaperte Lufthansamaschine abschießen, um so die 70.000 Zuschauer in einem Fußballstadion zu retten, auf das der Entführer die Passagiermaschine vermutlich stürzen lassen wollte?
Der gesamte Film spielt in einem Gerichtssaal. Die Frage, die zu klären ist: Durfte der Pilot die von einem Terroristen gekaperte Lufthansamaschine abschießen, um so die 70.000 Zuschauer in einem Fußballstadion zu retten, auf das der Entführer die Passagiermaschine vermutlich stürzen lassen wollte? © ARD Degeto/Moovie GmbH | Julia Terjung
So viel Symbolik musste wohl sein: Durch die Fensterfront hinter der Richterbank ist die Kulisse des Reichstagsgebäudes zu sehen.
So viel Symbolik musste wohl sein: Durch die Fensterfront hinter der Richterbank ist die Kulisse des Reichstagsgebäudes zu sehen. © ARD Degeto/Moovie GmbH | Julia Terjung
Der Strafverteidiger Biegler (Lars Eidinger) versucht, das moralische Dilemma seines Mandanten zu verdeutlichen. Doch kann man Menschenleben gegeneinander aufwiegen? Das ist eine der zentralen Fragen des Films.
Der Strafverteidiger Biegler (Lars Eidinger) versucht, das moralische Dilemma seines Mandanten zu verdeutlichen. Doch kann man Menschenleben gegeneinander aufwiegen? Das ist eine der zentralen Fragen des Films. © ARD Degeto/Moovie GmbH | Julia Terjung
Das Gericht spricht sein Urteil – über das die Fernsehzuschauer vorher abgestimmt haben. So war es auch bei dem Bühnenstück, bei dem die Theaterbesucher über das Urteil für den Eurofighter-Piloten entschieden. Der Kiepenheuer Verlag veröffentlichte eine Statistik, nach der die Theaterbesucher in 25 Theatern zu 59,5 Prozent für einen Freispruch votierten.
Das Gericht spricht sein Urteil – über das die Fernsehzuschauer vorher abgestimmt haben. So war es auch bei dem Bühnenstück, bei dem die Theaterbesucher über das Urteil für den Eurofighter-Piloten entschieden. Der Kiepenheuer Verlag veröffentlichte eine Statistik, nach der die Theaterbesucher in 25 Theatern zu 59,5 Prozent für einen Freispruch votierten. © ARD Degeto/Moovie GmbH | Julia Terjung
Burghart Klaußner spielt den Vorsitzenden Richter nüchtern und ohne Pathos.
Burghart Klaußner spielt den Vorsitzenden Richter nüchtern und ohne Pathos. © ARD Degeto/Moovie GmbH | Julia Terjung
Für die Staatsanwältin (Martina Gedeck) steht fest: Ein Abwägen nach dem „kleineren Übel“ ist keine Rechtfertigung, um Menschenleben zu opfern.
Für die Staatsanwältin (Martina Gedeck) steht fest: Ein Abwägen nach dem „kleineren Übel“ ist keine Rechtfertigung, um Menschenleben zu opfern. © ARD Degeto/Moovie GmbH | Julia Terjung
Die Anklägerin plädiert für eine Verurteilung des Bundeswehr-Piloten wegen Mordes in 164 Fällen.
Die Anklägerin plädiert für eine Verurteilung des Bundeswehr-Piloten wegen Mordes in 164 Fällen. © ARD Degeto/Moovie GmbH | Julia Terjung
Der Verteidiger (Lars Eidinger) plädiert auf „unschuldig“, denn sein Mandant habe in einem „übergesetzlichen Notstand“ gehandelt.
Der Verteidiger (Lars Eidinger) plädiert auf „unschuldig“, denn sein Mandant habe in einem „übergesetzlichen Notstand“ gehandelt. © ARD Degeto/Moovie GmbH | Julia Terjung
 Der Angeklagte Eurofighter-Pilot Lars Koch (Florian David Fitz) wusste, dass der Abschuss der von Terroristen gekaperten Maschine nicht durch Recht und Gesetz gedeckt war. Trotzdem feuerte er die Rakete ab – um noch weit mehr Opfer zu verhindern.
Der Angeklagte Eurofighter-Pilot Lars Koch (Florian David Fitz) wusste, dass der Abschuss der von Terroristen gekaperten Maschine nicht durch Recht und Gesetz gedeckt war. Trotzdem feuerte er die Rakete ab – um noch weit mehr Opfer zu verhindern. © ARD Degeto/Moovie GmbH | Julia Terjung
Der Angeklagte sitzt zunächst in einem Glaskasten in dem Gerichtssaal. Später nimmt er neben seinem Verteidiger Platz.
Der Angeklagte sitzt zunächst in einem Glaskasten in dem Gerichtssaal. Später nimmt er neben seinem Verteidiger Platz. © ARD Degeto/Moovie GmbH | Julia Terjung
Verteidigung und Anklage vertreten komplett andere Auffassungen. Wer wird sich bei den Zuschauern durchsetzen?
Verteidigung und Anklage vertreten komplett andere Auffassungen. Wer wird sich bei den Zuschauern durchsetzen? © ARD Degeto/Moovie GmbH | Julia Terjung
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Zeit für das Zuschauervotum war viel zu knapp

Das TV-Experiment hatte auch Schwächen, nicht allein wegen der technischen Probleme, die es bei der Abstimmung offensichtlich gab. Die ARD ließ ihren Zuschauern nach Ende des Films nur wenige Minuten Zeit für ihr „Urteil“. Das war viel zu knapp.

Was hätte dagegen gesprochen, den Zuschauern beispielsweise bis zur Halbzeit der Plasberg-Runde Zeit zu lassen für die Abstimmung? Die Hektik war dem anspruchsvollen Stoff nicht angemessen.