Berlin. Vernichtung und Kapitulation: Russlands Botschafter erklärt bei Anne Will unverblümt die Voraussetzungen für einen Frieden in Syrien.

Für einen kurzen Moment sah es so aus, als ob es für den Krieg in Syrien mit bald 500.000 Toten doch noch eine Lösung geben könnte. Nachdem sich mit Russland und den USA die beiden wichtigsten externen Akteure auf eine Waffenruhe im Land geeinigten hatten, war die Hoffnung nicht unangebracht, dass das Leid nun endlich ein Ende haben könnte. Einige Zwischenfälle und Bombardierungen später ist die Situation nun aber verfahrener als je zuvor: Statt Hoffnung regieren Gewalt und Schuldzuweisungen auf beiden Seiten.

Das Thema beschäftigte am Sonntagabend auch Anne Will. „Friedensgespräche abgebrochen – Ist Aleppo verloren?“, fragte die Redaktion mit Blick auf die syrische Metropole, die weiter von syrischen und russischen Kampfflugzeugen zerbombt wird. Diskutiert wurde die Frage vom russischen Botschafter Wladimir Grinin, vom früheren US-Botschafter John Kornblum sowie von Norbert Röttgen (CDU), der Entwicklungshelferin Katharina Ebel und dem früheren Bundeswehrgeneral Harald Kujat.

Grinins unverblümte Friedensbedingungen

Wladimir Grinin trat standesgemäß als Fürsprecher der russischen Sicht auf. Wann immer die Sprache auf eine mögliche russische Verantwortung kam, zog sich Grinin auf den Hinweis zurück, dass die USA Schuld seien. Konkret warf Grinin der US-Regierung vor, die Terroristen nicht von der gemäßigten Opposition getrennt und damit ihren Teil der Vereinbarungen nicht erfüllt zu haben.

Doch wie könnte jetzt noch ein Frieden erreicht werden? „Wir könnten den Beschuss einstellen, wenn es notwendig sein sollte“, sagte der Botschafter zunächst vage. Auf Nachfrage konkretisierte Grinin dann überraschend unverblümt, indem er praktisch einen Sieg Assads zur Voraussetzung machte: „Wir müssen die Terroristen vertreiben und die Gemäßigten müssen ruhig bleiben. Dann wird es Frieden geben“, sagte der Botschafter.

Kornblum gestand amerikanische Mitverantwortung ein

John Kornblum vertrat eine komplett andere Sicht der Dinge. Der frühere US-Botschafter in Deutschland warf Russland vor, die Situation immer weiter eskaliert zu haben. „Es gibt seit Jahren eine große Frustration über Russland“, sagte Kornblum. Ob in der Ukraine, im Baltikum oder mit Hackerangriffen – Putin provoziere den Westen andauernd.

Zugleich gestand Kornblum auch eine amerikanische Mitverantwortung ein. Die US-Regierung sei mit ihrer folgenlosen roten Linie in puncto Giftgas schwach gewesen. „Niemand hat sich mit Ruhm bekleckert“, sagte Kornblum. Mit Blick auf die Zukunft Syriens gab er sich pessimistisch: „Es gibt keinen syrischen Staat mehr.“

Ein Bundeswehrgeneral für Russland

Als vehementer Befürworter der russischen Seite entpuppte sich Harald Kujat. Man müsse die Probleme auf beiden Seiten wahrnehmen, argumentierte der frühere Bundeswehrgeneral. Auch auf Seiten der von den USA unterstützten Rebellen und Terroristen würden Kriegsverbrechen verübt. „Auch West-Aleppo wird beschossen, auch dort sterben Zivilisten“, sagte Kujat mit Blick auf den von der syrischen Armee kontrollierten Teil der Metropole. Den USA warf Kujat vor, terroristische Gruppierungen in Syrien im Kampf gegen Assad aufgebaut zu haben.

Norbert Röttgen wollte diesen Standpunkt nur bedingt gelten lassen. Fakt sei, dass Russland in Syrien die militärische Hoheit besitze. Daher entscheide es auch darüber, ob Zivilisten bombardiert werden oder nicht. „Russland könnte aufhören Bomben zu werfen. Das wäre der effektivste Beitrag dazu, dass das Sterben aufhört“, sagte der Vorsitzendes des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Zudem könne Russland das Assad-Regime dazu bringen, die Kampfhandlungen einzustellen. Stattdessen werde durch Aleppo „eine Abrissbirne“ geführt, mit dem Ziel, alle Menschen zu vertreiben.

„Am Ende wird nichts mehr übrig sein“

Die ausgewogenste Perspektive brachte Katharina Ebel ein. Eindrücklich berichtete die Nothilfe-Koordinatorin der SOS-Kinderdörfer in Syrien von der schwierigen Arbeit vor Ort. Während in der syrischen Hauptstadt Damaskus fast wieder Normalität herrsche, sei ein Arbeiten in Aleppo kaum mehr möglich. „Die Menschen sind müde, sie sind ohnmächtig“, sagte Ebel.

Zugleich machte die Entwicklungshelferin deutlich, dass es für die Betroffenen zweitrangig sei, wer an der Situation Schuld ist – und von wem sie beschossen werden. „Sie wollen, dass der Krieg aufhört“, sagte Ebel. In der Politik aber gehe es immer nur um die Schuldfrage und um wirtschaftliche und militärische Interessen, nicht aber um Menschlichkeit. Auf dieser Grundlage hofft Ebel zwar weiterhin auf Frieden, zuversichtlich wirkte sie aber nicht. „Es wird nur noch Schaden angerichtet. Am Ende wird nichts mehr übrig sein.“