Warum die Dortmunder „Tatort“-Macher aufpassen müssen
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Von Walter Bau
Berlin. Rocker, Mafiosi, Bullen – der Dortmunder „Tatort“ war etwas für ganz harte Kerle. Und für Freunde flotter Sprüche. Der Schnellcheck.
Vier Morde mussten Hauptkommissar Faber und sein Team am Sonntag in der Dortmunder „Tatort“-Folge „Zahltag“ aufklären. Dabei hatten die eigenwilligen ARD-Ermittler beinahe mehr mit sich selbst zu kämpfen als mit den Gangstern.
8,36 Millionen Zuschauer verfolgten den Krimi im Ersten, der Marktanteil lag bei 22,9 Prozent. Das waren deutlich bessere Werte als beim Dresdner „Tatort“ in der Woche davor (7,74 Millionen, 23,9 Prozent). Hier die düsteren 90 Krimi-Minuten im Überblick:
• Das Ambiente
„Zahltag“ zeigte das herbstliche Ruhrgebiet mal wieder von seiner schmuddeligen Seite: Rocker-Milieu, Hinterhof-Mief, Schrottplatz-Atmosphäre. Parkaträger Faber ermittelt in Dunkel-Dortmund. Selbst in der Pils-Kneipe herrscht tiefste Tristesse. Das wird den Image-Machern in Dortmund gar nicht gefallen haben.
• Der Spruch des Abends
Da fällt die Auswahl schwer. Fahnder Faber, der sich selbst von Folge zu Folge mehr in einen geistigen Ausnahmezustand manövriert, lieferte Zynismus und Sarkasmus im Überfluss. Kostprobe? Faber über seine Arbeitsmethode: „Wenn ich den Hitlergruß machen muss, damit ein Nazi mit mir redet, dann mach‘ ich den.“ Oder, Faber zum Rocker-Boss: „Wenn ihr euch gegenseitig umbringt, dann ist das kein Problem, aber unschuldige Mitbürger erschießen, das sorgt für Schnappatmung bei den Dortmunder Gutmenschen.“ Andere hatten aber auch was zu bieten. Etwa der bissige Abgesang eines Rockers: „Die ganze Rocker-Scheiße von früher ist Kindergarten. Die Albaner übernehmen die Nutten, die Syrer die Drogen und die Libanesen treten uns in den Arsch.“
• Die Rolle des Abends
Nein, nicht Faber, obwohl Jörg Hartmann darstellerisch in Topform war. Eine Klasse-Leistung bot aber auch Milan Peschel als aktenfressender Dienstaufsichtsbeamter Pröll, der intern gegen den Hauptkommissar ermittelt. Wie Peschel mit seinem Rollköfferchen durch die Gänge schlich, immer im Weg stand und den Unsympathen in Person gab, das war aller erste Sahne. Die Handlung scheint so angelegt zu sein, dass man sich auf ein Wiedersehen freuen darf.
• Dialog des Abends
Den lieferte der Schlagabtausch zwischen Faber und Pröll. Zynisch der eine, büroklammertrocken der andere.
Faber: Und? Heute schon einen Kollegen in die Tonne gekloppt, oder bin ich der erste?
Pröll: Wir machen alle nur unsere Arbeit.
Faber: Das haben die im Dritten Reich auch gesagt.
„Tatort“ Dortmund: Jetzt ist „Zahltag“
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• Szene des Abends
Nicht die wilde Schießerei am Anfang hinterließ den stärksten Eindruck. Und auch nicht Fabers Auftritt im Rockerclub, als ihn einer der „Miners“ ein Messer an die Kehle setzte. Die Szene des Abends war einer der wenigen ruhigen Momente von „Zahltag“: Faber – ausnahmsweise mal nicht in Sarkasmus getränkt, sitzt mit Kollegin Martina Bönisch (Anna Schudt) nach Feierabend im leer-kalten Besprechungszimmer bei Pizza und Flaschenbier und reden Tacheles. Mal ganz ohne flotte Sprüche und dem ganzen Gehabe. Wenige Worte, gekonntes Minenspiel. Starke Darsteller in einem starken Moment.
• Und sonst?
„Zahltag“ bot starke Krimi-Kost für Freunde abgedrehter Typen. Die „Tatort“-Macher müssen allerdings aufpassen, dass sie die Rolle des durchgeknallten, immer an der Grenze zum Absturz wandelnden Hauptkommissars Faber nicht überdrehen. Sicher, ein Krimi ist kein Dokumentarfilm. Aber ein Voll-Psychopath als Chef-Ermittler, der sich allmählich zum Pflegefall entwickelt, dazu ein Alkoholiker als Assistent – das dürfte so manchen Zuschauer auf Dauer überfordern.