Essen. Mit „Mein Sohn, der Klugscheißer“ gelingt der ARD eine leichtfüßige Komödie über das Anderssein. Eine Seltenheit im deutschen TV.

Bei dieser Diagnose hört man im Hintergrund schon die Champagnerkorken knallen: „Intelligenz-Quotient 140“ – das klingt in Elternohren wie ein Lottogewinn. Die guten Gene, die Frühförderprogramme oder die akademisch gebildete Nanny haben sich also bezahlt gemacht. Doktortitel und sechsstellige Jahresgehälter winken in naher Zukunft. Könnte man denken – nicht so allerdings Deborah, genannt Debbie (Alwara Höfels).

Sie kippt beinahe vom Stuhl, als die Kinderpsychologin sie mit dem Verdacht konfrontiert, ihr leicht verhaltensauffälliges Kind könnte überdurchschnittlich intelligent sein. Gut, Jerôme (Maximilian Ehrenreich) mag schwierig, launisch und mit einem komischen Zahlentalent gesegnet sein – aber hochbegabt?

Liebenswerte Komödie mit ernstem Hintergrund

Debbie wendet sich schnaubend ab. Ihre Welt sind bunte Schirmchen-Cocktails und „Starlight Express“, tief ausgeschnittene Animalprint-Klamotten und Online-Dating. Sie arbeitet als Busfahrerin. Beim abendlichen Scrabblespiel bastelt Debbie Wörter wie „Mätt-Igel-Verein“; anschließend schickt Jerôme seine Mutter ins Bett, damit sie nicht wieder ihre Frühschicht verschläft. Verkehrte Rollen, seltsame Familienwelt. Dass diese Mutter-Sohn-Beziehung nicht zum Vorbild taugt, ist dem Zuschauer nach wenigen Filmminuten klar.

Es ist jedoch ein anteilnehmender Blick, kein überheblicher, den die Macher auf ihre Hauptdarsteller werfen. „Mein Sohn, der Klugscheißer“ von Pia Strietmann (Regie) und Lea Schmidbauer (Buch) ist eine liebenswerte, gegen den Strich gebürstete Komödie mit ernstem Hintergrund.

Große Klappe und eine Überportion Mutterliebe

Für das gegensätzliche Mutter-Sohn-Gespann kann sich die Regisseurin auf zwei großartige Darsteller verlassen: Höfels, bekannt geworden mit „Keinohrhasen“ und aktuell als Ermittlerin im Dresdner „Tatort“ zu sehen, gewinnt die Zuschauerherzen mit gewohnt großer Klappe und einer Überportion Mutterliebe.

Maximilian Ehrenreich konnte bereits in Nachwuchsfilmen wie „Simon sagt auf Wiedersehen zu seiner Vorhaut“ sein Talent beweisen und verleiht seinem blassen Protagonisten mit der Wollmütze eine erstaunliche Präsenz.

Film nimmt seine Figuren ernst

Jerôme ist kein passives „Problemkind“, der mit seiner Hochbegabung nicht klar kommt, sondern ein sensibler, manchmal etwas schlaumeierischer Junge, der seinen Platz in der Welt sucht. Das Fahrradschloss, das auf dem Kopf eines aggressiven Mitschülers landet, ist ein unglücklicher Zufall.

Von der allzu offensiv eingesetzten Musik („Mr. Bombastic“) einmal abgesehen nimmt der Film sein Thema und seine Figuren mit ihren Ängsten zu jedem Zeitpunkt ernst. Einzig Adam Bousdoukos als Online-Lover Marco darf schauspielerisch Vollgas geben und den herzensguten, anti-intellektuellen Familienanhang mit ein bisschen zu viel Machoattitüde geben.

Fazit: „Mein Sohn, der Klugscheißer“ zeigt den schmerzlichen Ablösungsprozess zwischen Eltern und Kind; er erzählt vom Anderssein und Loslassen. Dass er dabei seine Leichtfüßigkeit nicht verliert, ist für das deutsche Fernsehen bemerkenswert.

ARD, 7. Oktober, 20.15 Uhr