Berlin. Überraschung: Dein Wohnzimmer steht jetzt im „Wer wird Millionär?“-Studio. Nicht der einzige Gag am Montagabend bei Günther Jauch.

Den feuchtfröhlichsten Tag der Deutschen Einheit, das möchten wir an dieser Stelle wetten, hatte dieses Jahr ganz sicher Günther Jauch. Mindestens drei Schnäpse der Marke „Blutwurz“ (50 Prozent vol.) genehmigte sich der Moderator am Montag in seinem „Wer wird Millionär?“-Überraschungsspezial.

Der Kräuterlikör war aber nicht etwa nötig, weil Jauch so furchtbare Kandidaten hatte. Nein, nein. Der Alkohol steigerte die Laune des 56-Jährigen nur noch, denn Jauch wirkte an diesem Abend höchst vergnügt – einer tätowierten Taxifahrerin vom Rhein, einem Osnabrücker Schmutzfink sowie einem Wohnzimmer aus Welsleben sei Dank.

Günther Jauch als missmutiger Taxi-Gast

Dabei hatte der Abend zunächst gar nicht heiter begonnen, zumindest für Jauchs erste Kandidatin nicht, Gabriele Bung, Taxifahrerin aus Köln. Die 53-Jährige wusste nämlich nicht, wie ihr geschah, als sie plötzlich, hergeführt von zwei Lockvögeln, im „Wer wird Millionär?“-Studio in Köln-Hürth landete. Genau das aber ist der Sinn dieser Spezialausgabe: Menschen ohne ihr Wissen zu Kandidaten zu machen.

Ihr Sohn und ihr Mann hatten Bung bei Jauch angemeldet, damit sie mit einem Gewinn endlich mal wieder einen Abend mit der Familie verbringen kann statt immer nur hinterm Steuer zu hocken. Denn auf ihren Fahrten begegnen ihr mitunter ganz schön „muffelige“ Kunden – so wie… Günther Jauch! „Zwei Mal habe ich Sie schon vom Flughafen zu Ihrem Büro gefahren“, erzählt die 53-Jährige, „und an einem Montagmorgen waren Sie gar nicht gut gelaunt!“ Was, Herr Jauch, doch nicht der feine Kerl, für den ihn ganz Deutschland hält?

„Also attraktiv ist er ja nicht!“

Nach dem ersten peinlichen Zwischenfall spielt RTL das Video ein, das Bung, gefilmt mit versteckter Kamera, auf dem Weg ins „WWM“-Studio zeigt. „Wie finden Sie denn Günther Jauch?“, fragt der männliche Lockvogel. „Also attraktiv ist er ja nicht!“, gibt Bung zu. Unbehagen auf beiden Seiten, Jauch übergeht die Schmach. Wo ist der Schnaps, wenn ein Moderator ihn braucht?

Trotz persönlicher, aber nicht weiter dramatischer Differenzen spielt sich Bung fast abgeklärt bis zur 64.000-Euro-Frage vor. Auf dem Weg dahin weiß sie, nicht zuletzt dank mehrerer Joker, dass sich Joachim Löw nach 30 Jahren Ehe von seiner Daniela getrennt hat, die er einst in der Berufsschule kennenlernte, dass bei 22 der 23 isländischen Fußball-WM-Spieler die Nachnamen mit denselben drei Buchstaben enden, nämlich „son“, und dass Jäger künftig „bleifrei“ unterwegs sein müssen.

Mein Mitbewohner, das Schwein

Nur Peter Maffay macht ihr einen Strich durch den großen Gewinn. Denn dass der Sänger vergangenes Jahr mit seinem insgesamt 17. Nummer-1-Album seinen „deutschen Rekord“ einstellte, die Antwort hatte Bung leider nicht parat. Im Taxi zu wenig Radio gehört? Oder kein Schwein gehabt.

Schwein gibt es danach aber im Studio, und zwar im Wortsinn. Denn als Ankündigung des nächsten Kandidaten, Julius Rauer, hat Jauch ein Schwein eingeladen, das genüsslich vom Studioboden fraß. Ein solches Tier verkörpert der 28-Jährige aus Osnabrück, zumindest wenn es nach seinen drei Mitbewohnern geht. Überall nur Chaos in der Bude, dass „eine Putzfrau auf Lebenszeit“ her muss. Das Geld für eben diese soll Rauer bei „Wer wird Millionär?“ erspielen.

Jauch holt den Brustbeutel hervor und zahlt

Und das sieht gut aus. Der Industriekaufmann einer Süßwarenfabrik saust im Schweinsgalopp durch die Rate-Stufen, um erst bei der Frage nach einem Baum, der viele Gärten und Parks ziert, ins Schwanken zu geraten. Ist es die Würfelbuche, die Quaderbirke, der Kugelahorn oder die Kegelpappel? Zeit für ein kleines Späßchen, Jauch und Rauer wetten.

Nennt beim Studiojoker 88 Prozent des Publikums die richtige Antwort, und zwar den Kugelahorn, bekommt der 28-Jährige 20 Euro von Jauch. Sind es mehr als 90 Prozent, bekommt der Moderator das Geld. „Der schlampigste WG-Bewohner Deutschlands“ – Zitat Jauch – gewinnt, der Moderator holt seinen Brustbeutel hervor und zahlt. Seiner herausragend guten Laune schadet das nicht, im Gegenteil, die beiden sind sich regelrecht sympathisch.

Von der Couch aus ist jede Frage einfach

Und so kehrt Rauer nach lösbaren Fragen etwa nach dem Fast-Verkauf des Flughafens Hahn oder Donald Trumps Frau Melania mit 64.000 Euro in seine zukünftig keimfreie Wohnung zurück. Kann Fernsehen schön sein.

Dieter Hartmann kann dagegen in Köln bleiben, denn sein Wohnzimmer steht schon im Studio von „Wer wird Millionär?“ Ohne sein Wissen hatte ihn seine Lebensgefährtin bei der Sendung angemeldet, weil er so ein furchtbarer „Besserwisser“ sei. Aber von der Couch aus ist ja auch jede Frage ganz leicht zu lösen, wie schon viele Kandidaten bei Jauch behauptet hatten.

Schrankwand, Salzlampe und Hundegemälde

Also packte RTL das gesamte Wohnzimmer von Hartmann in dessen Abwesenheit ein und baute es im Studio wieder auf – originalgetreu mit Schrankwand, Salzlampe und Gemälden von den Hunden. Selbst das Erotikspiel „Via Amore – Der spielerische Weg der Liebe“ findet Jauch im Regal. Da wird’s ja fast schlüpfrig bei RTL, dabei kommt die Nacktshow „Adam sucht Eva“ doch erst im Anschluss.

„Das ist unser Wohnzimmer? Du hast einen Knall!“, ruft Hartmann zu seiner Freundin, als er auf seiner blauen Eckcouch gegenüber von Jauch Platz nehmen darf. Auf den Schreck erstmal einen Schnaps! Jauch holt den „Blutwurz“ aus der mitgebrachten Hausbar, damit es der Kandidat aus der „Klugscheisser-Fraktion“ so locker angehen lassen kann wie zu Hause. Und tatsächlich, bis zur 2000-Euro-Frage läuft’s, und da ist der Alkohol noch gar nicht angerührt.

Als Russland noch Rußland hieß

Dann aber bringt den 56-Jährigen die Frage nach einem Ländernamen, dessen Schreibweise sich durch die Rechtschreibreform 1996 geändert hat, aus dem Konzept. Irland, Thailand, Russland (bis dahin mit „ß“ geschrieben), Neuseeland? Der Fifty-fifty-Joker muss helfen. „Jetzt kommen mir bei Ihnen erste Versagensängste!“, ruft Jauch. „Deswegen gibt es noch einen Blutwurz!“ Beide kichern. Im Scheinwerferlicht der eigens angekarrten Wohnzimmerlampe haben sich zwei gefunden.

Bis zur 64.000-Euro-Frage schaffen es Kandidat und Moderator ohne Blutwurz-bedingten Hickser. Doch dann weiß Hartmann nicht, dass Sonia Rykiel eine für ihre Strickmode bekannte Designerin war, und Jauch steigt allmählich der Alkohol zu Kopf. Es sei ihm gegönnt, wenn schon er und seine Kandidaten in einen Rausch verfallen, dann hat er das doch sicher auch beim Publikum vor dem Fernseher geschafft.

Zusammen, was zusammen gehört

Und RTL ist es gelungen, am Tag der Deutschen Einheit auch physisch zu vereinen, was schon so lange zusammengehört: „Wer wird Millionär?“ und das deutsche Wohnzimmer. Prost!