Berlin. Bei „Hart aber fair“ ging es einmal mehr um Flüchtlinge. Neu war der Fokus: Afrika. Gleich blieb das Ende – mit vielen offenen Fragen.

Eigentlich sah Bilal ganz freundlich aus. Ein 22 Jahre junger Mann, der in die Kamera lächelt und von Europa erzählt. Ein Europa, das wie „das Paradies ist“, wo man „schöne Kleider“ trägt, „große Autos“ fährt und „wo alles ganz leicht ist“. Frank Plasberg und seinen Gäste diente Bilal am Montagabend bei „Hart aber fair“ allerdings nicht als Muntermacher.

Denn Bilal, der in dem Einspieler natürlich das Fußballtrikot eines englischen Fußballvereins trug, kommt aus Sierra Leone. Und damit war er das personifizierte Problem für die ARD-Talkrunde, die sich der Frage annähern wollte: Droht Europa bald eine weitere große Flüchtlingswelle aus Afrika?

Viele Fragen, wenige Antworten

So hatte der x-te Aufguss der Flüchtlingsdebatte immerhin einen neuen Fokus. Was er mit seinen vielen Vorgängern, die sich um die Folgen des Syrien-Kriegs drehten, gemein hatte: viele Fragen, wenige Antworten. Ungewissheit, die die Sorge vor einer weiteren Flüchtlingskrise beim Zuschauer nicht unbedingt mindern.

Und wenn es einmal konkreter wurde, zum Beispiel, als der Fokus auf Libyen fiel, wo nach Zahlen der UN 235.000 Menschen nur auf die nächste Gelegenheit warten, ein Boot nach Europa zu besteigen, schweifte die Diskussion auch schnell wieder ab. Es gab ja noch den Tschad oder Ghana oder Äthiopien.

Afrika als „Ressourcenbecken“ Europas?

Ob Europa genug gegen Fluchtursachen tut, wollte Frank Plasberg von seinen Gästen wissen. Und man erhoffte sich wohl eine Diskussion, die sich irgendwo bei oder zwischen den Gegenspielern Elias Bierdel und Peter Györkös entzündet. Bierdel, Journalist und Menschenrechtsaktivist, zeichnete das Bild eines Afrikas, das für Europa nur als „Ressourcenbecken“ diene, das von Europa „klein gehalten“ und ausgebeutet werde und nun von Seiten der Europäer Hilfe verdient habe – und keine Abschottung. „Zäune vergrößern nur die Gewalt“, meinte Bierdel.

Dumm nur, dass der ungarische Diplomat Peter Györkös nicht den plumpen, ungarischen Zäunebauer geben wollte. Zwar müsse Europa eine schützbare Außengrenze haben und es könne nicht alle Probleme Afrikas lösen, schon gar nicht auf europäischem Boden, weil man sonst die Stabilität der eigenen Gesellschaften gefährde. Trotzdem betonte der eloquente Györkös auch mehrmals: „Zäune und Hilfe schließen sich nicht aus.“

„Grenzschutz geht nicht mit Blumen und Plüschtieren“

Seitenhiebe hatte er allenfalls für die deutsche Sicht auf die Politik Ungarns übrig. So sei die Behauptung falsch, Ungarn hätte als erstes Land einen Zaun zur Kontrolle des Flüchtlingsstroms gebaut. „Das war Bulgarien. Und da wurde der Zaun sogar von Deutschland mitfinanziert. Aber nur in Ungarn ist der Zaun böse“, kritisierte Györkos. Ein EU-Binnenland müsse mehr Verständnis für einen Staat an der EU-Außengrenze aufbringen: „Grenzschutz ist keine schöne Angelegenheit. Mit Blumen und Plüschtieren geht das nicht.“

Immerhin einen hitzigen Moment gab es dann doch dank Elias Bierdel. Er musste sich von Norbert Röttgen vorwerfen lassen, dass seine Argumente „nur noch ganz am Rand mit der Realität“ zu tun hätten. Man brauche vielmehr Ansatzpunkte, an denen man konkret politisch etwas verändern könne, so der CDU-Politiker. Dazu gehörten sowohl Zäune als auch Hilfe in den Ländern. „Wir müssen mehr tun, mit mehr Engagement und mehr Geld“, sagte Röttgen, der sich in einer Sache aber „zumindest verhalten optimistisch“ zeigte: Deutschland habe in der aktuellen Flüchtlingskrise gelernt, dass es nichts bringt, wegzuschauen. „Der Lernprozess hat eingesetzt, definitiv. Wir haben erkannt, dass solche Hilfen in unserem Interesse sind, weil es auch um die Stabilität unserer Gesellschaft geht.“

Subotic: „Wir produzieren mehr Hass durch Zäune“

Eine verhaltene Gegenrede kam indes von Neven Subotic. Der langjährige Dortmunder Profifußballer engagiert sich seit Jahren mit Aufbauprojekten in Afrika, fliegt regelmäßig etwa nach Äthiopien. „Wir produzieren mehr Hass durch Zäune“, meinte Subotic in Richtung Röttgen und plädierte für eine langfristigere Sicht der Politik. „Wir können nicht mehr so leben, wie wir uns das wünschen. Weil es auf Kosten anderer geht.“

ARD-Afrika-Korrespondentin Shafagh Laghai lenkte für kurze Zeit den Blick auf die strukturellen Probleme in vielen afrikanischen Ländern. „Selbst wenn jemand die Schule und Universität abschließt, dann sind keine Jobs da.“ Grund dafür seien viele unfaire Verträge, die auch Europa mit Afrika geschlossen habe. „Unser Reichtum hat auch mit der Armut in Afrika zu tun“, sagte Laghai, die sich eine „fairere Politik“ wünscht.

Oberflächliche Diskussion

„Zäune statt Hilfe – sind wir selbst schuld an der nächsten Flüchtlingswelle?“ hatte das Erste die Sendung betitelt – als ob es schon ausgemachte Sache wäre, dass sich bald ein Tross von „Millionen verzweifelten Afrikaner“ auf die Reise nach Europa machen würde. Nun ist es sicherlich nicht verwerflich, den Fokus auf die medial so selten thematisierten Probleme Afrikas zu richten. Allerdings gibt es derer so viele und so viele verschiedene, dass eine Diskussion über „das eine Afrika“ dazu verdammt ist, an vielen Stellen allerhöchstens die oberste Oberfläche zu erreichen – so wie am Montagabend in der ARD.

Was dem jungen Mann aus Sierra Leone zu wünschen sei, wenn er die vorausgegangene Diskussion verfolgt hätte, wollte Frank Plasberg zu guter Letzt wissen. „Dass er die Hoffnung nicht verliert“, meinte Shafagh Laghai. Eine zu dieser Sendung passende Antwort. Weil sie bei Bilal genauso viele offene Fragen hinterlassen dürfte wie bei den Zuschauern.