Berlin. Für 14 Tage im Knast: Jenke von Wilmsdorff begibt sich für das „Jenke-Experiment“ hinter Gitter – und gewinnt interessante Einblicke.

Nach dem Drogenrausch und der hypnotisch herbeigeführten Demenz ging es für RTL-Reporter Jenke von Wilmsdorff diesmal in den Knast. Er wollte am eigenen Leib erfahren, was es heißt, seiner Freiheit beraubt zu sein.

Etwa 70.000 Menschen sind in deutschen Gefängnissen inhaftiert. Rund 4000 davon sind Frauen. Einer der Häftlinge war für 14 Tage Jenke von Wilmsdorff. Anderthalb Jahre musste er warten, bis sein Antrag für dieses Experiment vom Bundesjustizministerium genehmigt wurde. Dann konnte Jenke in die Justizvollzugsanstalt (JVA) Bremervörde einziehen.

Trister Tagesablauf hinter Gittern

Dort standen ihm zwei Wochen Einzelhaft bevor. Keine lange Zeit, wenn man bedenkt, dass andere Straftäter viele Jahre hinter dicken Mauern und Nato-Draht verbringen müssen. Während seiner Zeit im Knast gab es für den Reporter keinerlei Sonderbehandlung. Wie unangenehm das sein kann, merkte er schnell.

Jenke von Wilmsdorff war freiwillig zwei Wochen in Einzelhaft.
Jenke von Wilmsdorff war freiwillig zwei Wochen in Einzelhaft. © RTL / Jürgen Schulzki | RTL / Jürgen Schulzki

Der Tagesablauf ist durchgetaktet. 6 Uhr: Lebendkontrolle durch einen Wärter. 7 Uhr: Arbeitsbeginn. 15 Uhr: Feierabend. 15.30 Uhr: eine Stunde Hofgang. 17 Uhr: Abendbrot. 19:15 Uhr: Einschluss – und da beginnt die Langeweile. Wie vertreibt man sich die Zeit, wenn einem dazu nur zehn Quadratmeter zur Verfügung stehen? Liegestütze, putzen, fernsehen, nachdenken. Die Mittel sind begrenzt. Für zwei Wochen aber wohl durchaus aushaltbar. Doch wie geht es Gefangenen, die eben nicht nach ein paar Tagen wieder draußen sind?

Ist der Täter stolz auf seine Taten?

Der verurteilte Straftäter Stefan F. stellte sich ganz offen Jenkes Fragen. Seit mehr als 20 Jahren sitzt er im Gefängnis. Zahlreiche Sprengungen von Geldautomaten in Niedersachsen gehen auf sein Konto. Bis auf Mord habe er sich quasi alles zuschulden kommen lassen, sagt er und lächelt dabei.

Ob er stolz auf seine Taten sei, will Jenke wissen. „Nein“, sagt Stefan. Bei seinen ausschweifenden Ausführungen über seine erbeuteten 780.000 Euro kann man das nur schwer glauben. In seiner Akte stehe, er prahle mit seinen Taten, sagt er, „aber das stimmt doch gar nicht“.

Manche Täter sind gerne im Gefängnis

Während Stefan F. wohl gern sein luxuriöses Leben mit dem erbeuteten Geld in Freiheit weitergelebt hätte, gibt es auch ein anderes Extrem. Harald Katzinski sitzt seit 36 Jahren ein – aber er will nicht raus. Der 56-Jährige fühlt sich hinter Gittern wohl. Es ist sein Zuhause. Dabei fing bei ihm alles mit einem kleinen Delikt an.

Wegen Diebstahls wurde er zu einem Jahr Haft verurteilt. Im Gefängnis fand er dann Freunde, sah den Gefängnisleiter als Vaterfigur an. Am Tag seiner Entlassung klaute er mehrere Autos, wurde geschnappt und wanderte erleichtert zurück in den Knast. Der 56-Jährige hat Angst vor der Einsamkeit, die ihn in Freiheit erwarten würde. Ein Rückfall in die Kriminalität ist bei ihm so gut wie sicher.

Harte Zeit für Angehörige

Aber Jenke ließ bei seinem Experiment nicht nur Täter zu Wort kommen. Er traf sich auch mit Angehörigen – sowohl von Opern, als auch von Tätern. Für beide Parteien ist die Situation nicht leicht. Während Angehörige von Opfern oft nicht nur mit ihrer Sorge und Trauer, sondern auch mit Rachegelüsten hadern, ist das Leben der Familien der Täter von anderen Sorgen geprägt.

Die dreifache Mutter Hacer klagt über soziale Isolation und vor allem auch finanzielle Nöte, seitdem ihr Mann in Untersuchungshaft sitzt. Den Kontakt zu ihm hält sie nur den Kindern zuliebe.

Wie sinnvoll ist Knast?

Neben den Schilderungen all dieser Einzelschicksale stellt sich Jenke von Wilmsdorff jedoch vor allem eine Frage: Kann ein Aufenthalt in einem Gefängnis einen Menschen überhaupt ändern? Und wie kann die Resozialisierung gelingen?

Dr. Arne Wieben, der Leiter der JVA Bremervörde ist sich sicher: Im Alter, mit einer gewissen Reife, kommt die Einsicht – auch im Knast. Anders sieht das Jugendrichterin Dr. Nicola Lindner. „Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass Menschen, die im Gefängnis waren, als bessere oder andere Menschen herauskommen“, sagt sie. Im Gefängnis träfen sich Gleichgesinnte, die sich gegenseitig negativ beeinflussten.

Alternative Formen des Strafvollzugs

Aber es gibt auch andere Modelle des Strafvollzugs. So wie die Haftanstalt Bastøy, eine norwegische Insel, auf der 115 Häftlinge im freien Vollzug leben. Oder auch das Seehaus Strömthal. In dieser Einrichtung leben jugendliche Straftäter in einer Art Familie. Es gibt strenge Regeln, aber keine Gitter. Der Vorteil bei beiden Modellen: bessere Resozialisierungschancen.

Und so kommt Jenke am Ende seines Experiments zu einer wichtigen Erkenntnis: Die einzige Zeit, in der Straftäter vielleicht noch therapiert werden können, ist in der Jugend. Aber diese Chance wird oft verpasst.