Berlin. Wollmütze, Niqab und Schein-Debatte: Die „Hart aber fair“-Gäste wollten über ein Burkaverbot reden. Es endete in Oberflächlichkeit.

Es gibt nicht viele Fragen, bei denen sich die Deutschen so einig sind. 86 Prozent der Bundesbürger fordern zumindest ein teilweises Burkaverbot. Das Kleidungsstück, das weibliche Individualität im Alltag praktisch unsichtbar macht, gilt als Zeichen eines politischen Islam: aggressiv, antidemokratisch und frauenverachtend. Das behaupten zumindest Kritiker.

Doch gibt es in Deutschland überhaupt ein Problem mit der Vollverschleierung? Diesen Eindruck erweckte zumindest die „Hart aber fair“-Redaktion, die ihrer Sendung am Montag-Abend den reißerischen Titel „Offene Gesellschaft, offenes Gesicht – Kulturkampf um die Burka?“ gab. Blöd nur: Es gelang Plasbergs Team nicht, Zahlen zu präsentieren, wie viele Frauen in Deutschland vollverschleiert sind. Ihr Anteil dürfte im Promillebereich liegen.

Trotzdem präsentierte sich die CDU-Konservative Julia Klöckner beim Thema Schleier als Kämpferin für die Frauenrechte – und geriet so immer wieder mit Claudia Roth von den Grünen aneinander.

Roth gegen Klöckner

Klöckner sieht in Burka und Niqab eine „Entmenschlichung der Frau“. Den Grünen warf die CDU-Frau vor, sich für Gender-Themen einzusetzen, aber wenn es um Vollverschleierung ginge, herrsche „gähnende Leere“.

Die beiden Frauen schenkten sich in der Debatte nichts. Von schwarz-grünen Lockerungsübungen vor der nächsten Bundestagswahl war in Plasbergs Runde nicht zu spüren. Claudia Roth konterte Klöckners Vorwurf, dass es ein Recht gebe sich zu kleiden, wie man wolle. Die Politik dürfe nicht den Parolen der AfD hinterherlaufen, forderte die Bundestagsvizepräsidentin.

Mehrheit der Grünen-Wähler gegen Vollverschleierung

Moderator Plasberg ließ das nicht so stehen und verwies auf Umfragen, wonach auch eine große Mehrheit der Grünen-Wähler die Vollverschleierung ablehne. Doch Roth wich aus, sprach lieber davon, dass man nicht die Frauen bestrafen dürfe, in dem man sie durch ein Verbot aus dem öffentlichen Raum verbanne.

Die Rollen waren klar verteilt: Die konservativen Positionen übernahmen Klöckner und der „Welt“-Journalist Dirk Schümer, der sich während der Sendung sogar eine Mütze komplett übers Gesicht zog, um zu verdeutlichen, dass Vollverschleierung und eine freie Gesellschaft Widersprüche seien.

Eine Debatte ohne Fakten

Auf der anderen Seite saßen der Publizist Michel Friedman, der der Burka kritisch gegenüber steht, aber ein Verbot ablehnt, sowie die Grünen-Politikerin Roth und die kopftuchtragende Muslima Khola Maryam Hübsch. Die Autorin betonte, dass jeder das Recht habe, „anders und ein Freak“ zu sein.

Allerdings argumentierte auch Hübsch vor allem aus dem Bauch heraus: Es nerve sie, dass vollverschleierten Frauen unterstellt werde, ihre Männer bestimmten, was sie zu tragen hätten – ganz so, als gäbe es in Teilen des Islams kein patriarchalisches Verständnis.

In Frankreich sei Vollverschleierung sogar eine Reaktion auf staatliche Verbote. Für Frauen, die dazu gezwungen werden, muss das zynisch klingen.

Burka nur ein Randproblem

Doch auch die konservative Seite füllte die Schein-Debatte um die Burka kaum mit Fakten: Julia Klöckner sprach von einer Frau, die nach der Abnahme des Schleiers in ein Frauenhaus fliehen musste – auch hier handelt es sich vermutlich um einen extremen Einzelfall.

So verzettelte sich Plasbergs Runde im Klein-Klein einer Debatte, die vor allem symbolisch geführt wird: Dass Burka und Niqab in Deutschland nur ein winziges Randproblem sind, gaben alle Gäste zu.

„Nur mit Niqab fühle ich mich frei“

Neue Einblicke bekam der Zuschauer, als Monika B., eine gebürtige Österreichern, die vor sieben Jahren zum Islam konvertiert war, vor die Kamera trat. B. ist überzeugte Niqab-Trägerin. Moderator Plasberg fand den Anblick „unheimlich“, was B. auch verstehe. Für sie sei die Verschleierung vor allem ein Schutz, da sie angefeindet wurde, nachdem sie zum Islam konvertiert war.

Auch ihr Mann, ein praktizierender Muslim, fände die Vollverschleierung nicht gut. Inzwischen nehme sie den Mundschutz aber ab, wenn ihre Gesprächspartner sich so wohler fühlten.

Ein Burkaverbot fürchte sie daher nicht. „Ich werde es abnehmen, wenn ein Verbot kommt, aber frei fühle ich mich dann nicht mehr“, sagte B., deren Auftritt damit beendet war.

Nach 75 teilweise sehr oberflächlichen Minuten verabschiedete Frank Plasberg seine Gäste per Handschlag – bis auf die Muslimin Hübsch, die darauf verzichtete.

Besser hätte man vermutlich die wahren Probleme der Integration nicht darstellen können.

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