Erdogan Atalay aus „Alarm für Cobra 11“ hat in 20 Jahren bereits 1250 Gangster verhaftet. Nun geht das Blechschaden-Spektakel weiter.

Sein Arbeitsplatz ist Raserei pur: Als Autobahnkommissar Semir Gerkhan in der RTL-Serie „Alarm für Cobra 11“ hat Erdogan Atalay (49) einiges hinter sich: In 318 Folgen innerhalb von 20 Jahren hat er acht Partner verschlissen. 1250 Gangster wurden verhaftet, 5500 Autos geschrottet, meistens im Raum Köln und Düsseldorf. 50 Regisseure hat er erlebt.

Donnerstagabend ab 20.15 Uhr geht das Blechschaden-Spektakel in die 29. Staffel. „Natürlich, ich werde fünfzig, ich kann nicht ewig Autobahnaction machen“, sagt Atalay, als diese Redaktion ihn auf Mallorca erreicht, wo er mit seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter (4) Urlaub macht. „Ich fühle mich in der Rolle allerdings sehr wohl, weil sie nie stagniert und hohe Konzen­tration erfordert.“

Anfangs große Vorbehalte

Als er 1996 begann, sahen er und sein Team sich als Pioniere. „Es gab viele Vorbehalte. Es hieß, Action müsse doch aus den USA kommen. Es sei alles viel zu teuer und viel zu aufwendig. Was wir gemacht haben, das hat sich damals kein anderer getraut.“

Sie haben sich getraut, und sie hatten Erfolg. Nach Senderangaben ist die Serie in 120 Länder verkauft, das schaffte nicht einmal „Derrick“. Atalay werde überall auf der Welt erkannt, auch derzeit auf Mallorca, wo Deutsche ihn genauso um Selfies bitten wie Spanier. Warum er nicht an einen Ort reist, an dem er unerkannt bleibt? „Wo soll das sein“, fragt er, „Nordkorea?“ An Selbstbewusstsein mangelt es ihm nicht.

„Gute Action ist schwieriges Geschäft“

Bei allem Erfolg, einen Grimme-Preis wird es für „Cobra 11“ nie geben. Aber wenn Kritiker die Serie als Krach und Krawall für schlichte Gemüter verspotten, findet Atalay das eine Frechheit. „Die meisten, die so etwas sagen, haben sie noch nicht einmal gesehen. Mit Krach allein lassen sich Zuschauer nicht zwanzig Jahre fesseln. Gute Action zu machen, ist ein schwieriges Geschäft. Ohne stimmige Dramaturgie wird es nichts.“ Da habe man natürlich dazugelernt. Wenn er alte Folgen sieht, denke er schon manchmal: „Oweia.“

Atalay kommt aus Hannover, sein Vater ist Türke, seine Mutter Deutsche. Sein Vater fand es wichtig, dass zu Hause nur Deutsch gesprochen wurde. Heute bedauert Atalay, dass er kein Türkisch kann. Mit der ganzen Naivität eines 18-Jährigen spazierte er nach der Schule ins Staatstheater Hannover und fragte: „Kann ich hier arbeiten?“ Konnte er, Atalay wurde für „Aladin und die Wunderlampe“ engagiert. Schließlich studierte er an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Hamburg.

Ernüchternder Start in den Beruf

Dann die Ernüchterung. Er sprach für die Kindersendung „Hallo Spencer“ vor, sollte einer Handpuppe seine Stimme leihen. „Ich hatte gerade losgelegt und fand mich auch ganz ordentlich, als man mir sagte: ‚Okay, es reicht.‘ Es gab keine Begründung. Ich dachte mir: Jetzt hast du vier Jahre studiert, sogar mit Auszeichnung, und du kriegst nicht mal einen Job als Handpuppe. – Ein Trauma.“

Es klappte dann doch mit den Jobs. Erst kamen kleine Rollen in TV-Serien, schließlich der Zuschlag für „Cobra 11“. „Als ich anfing, waren Rollen für Schauspieler mit Migrationshintergrund meist klischeebelastet. Zumindest musste die Biografie des Charakters immer erklärt werden.“

Atalay sollte mit türkischem Akzent spielen

„Cobra 11“ aber war kein Sozialdrama, und sein Charakter stand auf der richtigen Seite des Gesetzes. Jedoch sollte er mit türkischem Akzent sprechen. „Das wollte ich aber auf gar keinen Fall“, erinnert er sich. Stört es, seine Abstammung immer wieder erklären zu müssen? Atalay winkt ab. „Ich frage selbst jeden, wo er herkommt. Daraus ergeben sich oft interessante Gespräche. Kürzlich erzählte mir ein Taxifahrer aus Ghana, wie sehr er Deutschland liebt. Das macht mich als Deutscher dann auch stolz.“

Wenn er nicht im Taxi sitzt, dann am Steuer seines Maserati 3200 GT, Baujahr 1999, der 310 km/h schafft. Atalay beteuert, ein defensiver Fahrer zu sein und nur kleinere Sünden auf dem Kerbholz zu haben. Seine Bekanntheit habe ihm bei Kontrollen nie genützt, auch wenn Beamte ihn erkennen: „Deutsche Polizisten sind eben unbestechlich.“ Im Job aber hat Atalay ja die Lizenz zum Rasen.

RTL, donnerstags, 20.15 Uhr