Berlin. Die Dokumentation „Zugvögel“, die Arte am Donnerstagabend zeigt, liefert fantastische Landschaftsbilder und spannende Erkenntnisse.

Die Welt ist schön. Aus der Perspektive von Jungstorch Borni betrachtet, der sich mit seinen Geschwistern und Tausenden von Artgenossen in diesen Tagen wieder auf die 10.000 Kilometer lange Reise Richtung Afrika macht, ist sie gar atemberaubend schön: Mit bis zu 70 km/h, in großer Höhe immer über Land fliegend und geschickt die Thermik nutzend, überqueren die Vögel auf ihrer Westroute Süddeutschland und die Schweiz, dann die Camargue und die Straße von Gibraltar, bis sie endlich am Rande der Serengeti ihr Winterquartier erreichen. Und der Zuschauer ist, sozusagen auf Augenhöhe, immer dabei – weil eine Helikopterkamera sie auf ihrer abenteuerlichen Reise begleitet, oft in Zeitlupe oder im Zeitraffer.

Die fantastischen Luftbilder des sonnigen Spätsommers wären Grund genug, die ZDF-Dokumentation „Zugvögel“ von Petra Höfer und Freddie Röckenhaus, die Arte am Donnerstagabend (20.15 Uhr) als Erstausstrahlung zeigt, unbedingt zu empfehlen. Die Filmemacher sind dazu aber noch im Dienste der Wissenschaft unterwegs, wie ihre Protagonisten auch – Störche, Kraniche, Graugänse oder Rotkehlchen. Gemeinsam dokumentieren sie, was die Ornithologen des Max-Planck-Instituts in Radolfzell am Bodensee in ihrem ambitionierten Projekt herauszufinden versuchen: Warum nehmen Zugvögel Jahr für Jahr die Strapazen des langen Fluges auf sich? Wie finden sie ihr Ziel? Und warum verschwindet von 20 Milliarden Singvögeln weltweit die Hälfte Jahr für Jahr quasi im Nichts?

Erstaunliche Erkenntnisse über die Vögel

Dazu werden Zugvögel fast jeder Art in hoher Zahl „besendet“: Superleichte Hightechmikrosender zeichnen jede ihrer Flugbewegungen als GPS-Koordinaten auf und melden dazu Flughöhe und -geschwindigkeit, Luftwiderstand sowie Energieverbrauch. Damit erhoffen sich die Wissenschaftler, in Zukunft auch Rückschlüsse auf lokale Windverhältnisse, Unwetter, drohende Erdbeben oder Riesenheuschreckenplagen ziehen zu können. Änderungen der Flugrouten haben immer einen Grund. Die Daten ermöglichen aber vor allem erstaunliche Erkenntnisse über die Vögel selbst: Kein Storch ist wie der andere, jeder verfügt über eine individuelle Persönlichkeit. Stare dagegen, die jährlich von Nordfriesland nach Rom ziehen, um an den Ufern des Tiber zu überwintern und in der Abenddämmerung ein wahres Himmelsballett über dem Petersdom aufzuführen, zeichnet Schwarmintelligenz aus: Werden sie von einem Habicht angegriffen, fliegen sie so dicht beieinander, dass er seine Flügel kaum noch bewegen kann – und aus dem Schwarm herauskatapultiert wird.

Auch belegten die Daten, dass Schwalben im Frühjahr inzwischen einen ganzen Monat früher zurückkehren, vermutlich, weil sie dann schon genug Futter in Europa finden. So wagt Peter Berthold, Deutschlands bekanntester Ornithologe und Verhaltensforscher, die persönliche Prognose, „dass wir, wenn die Klimaerwärmung so weiter geht, in 100 Jahren keine Zugvögel mehr sehen.“

Fazit: Hoch spannende, sehr unterhaltsame Flugreise vor fantastischer Landschaft.

Donnerstag, 11. August, 20.15 Uhr, Arte: „Zugvögel“