Berlin/München. Leichen in Großaufnahmen, traumatisierte Menschen vor der Kamera: Nach dem Amoklauf von München gibt es lange Zuschauerbeschwerden.

Nach dem Amoklauf von München hat es bei den Landesmedienanstalten ausführliche Beschwerden über die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender und der Privaten gegeben. Der Präsident der Direktorenkonferenz der Medienanstalten, Siegfried Schneider, nennt die Vorkommnisse auch „Anlass , grundsätzlich über die Standards der Berichterstattung im Fernsehen zu diskutieren“. Schneider ist auch Vorsitzender der Bayerischen Landesmedienanstalt.

„Etliche Beschwerden des Fernsehpublikums“ liegen vor, in denen es um die Inhalte sowie Art und Weise der Berichterstattung über den Amoklauf von München geht, teilten die Medienanstalten in einer gemeinsamen Erklärung mit. Mit programmbeschwerde.de haben sie eine Plattform für Unmut von Fernsehzuschauern geschaffen. Besonders störten sich Zuschauer daran, dass Live-Aufnahmen von Leichen zum Teil in Großaufnahmen und wiederholt gezeigt wurden. In anderen Beschwerden wurde beklagt, dass Reporter vor Ort Polizeianweisungen ignoriert hätten und dass traumatisierte oder schockierte Menschen vor die Kamera gezogen worden seien. Weiterer Kritikpunkt waren die „ständig wiederholten Aufnahmen des schießenden Täters, teilweise in Endlosschleife“. Dabei geht es auch um Jugendmedienschutz: Zuschauer zeigten sich verärgert, dass Bilder der Tat am nächsten Tag noch ständig liefen. Das könne Kinder und Jugendliche verängstigen und Nachahmer bestärken.

Beschwerden sehr ausführlich begründet

Rund 20 Beschwerden gingen bis zum Dienstagmittag ein, die Landesmedienanstalt Saarland (LMS), die programmbeschwerde.de betreut, rechnet durch Berichterstattung über die Plattform aber mit einer Welle etlichen weiterer. Erfahrungsgemäß richten Zuschauer ihre Beschwerden auch eher an die Sender selbst.

Bemerkenswert sei bei insgesamt rund 1000 ernsthaften Eingaben im Jahr an die Beschwerdestelle weniger die Zahl nach dem aktuellen Fall. Es sei bemerkenswert, wie intensiv und ausführlich sich Zuschauer mit der Berichterstattung befasst haben, sagte Werner Röhrig, LMS-Leiter der Abteilung Jugendschutz, Programm und Medienförderung unserer Redaktion. Uwe Conradt, Direktor der federführenden LMS spricht von einer „erfreulich kritischen Kompetenz des Publikums“. Das macht es den Prüfern nun einfacher. In den Beschwerden kam zum Teil zum Ausdruck, dass die Zuschauer an öffentlich-rechtliche Sender andere Erwartungen als an Privatsender haben.

Beschwerden werden weitergeleitet

Die in den Beschwerden angesprochenen Sachverhalte wurden an die betroffenen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie die für die jeweiligen Privatsender zuständigen Aufsichtsstellen weitergeleitet. Der Vorsitzende der Direktorenkonferenz, Siegfried Schneider, kündigte an, dass jede Beschwerde zu privaten Programmen durch die Medienanstalten geprüft werde. „Die Vorkommnisse sind für uns Anlass auch grundsätzlich über die Standards der Berichterstattung im Fernsehen zu diskutieren.“

Auch beim für Zeitungen und deren Onlineauftritte zuständigen Deutschen Presserat waren Beschwerden eingegangen. Die Kritik richte sich hauptsächlich gegen die Darstellung der Opfer der Tat und ein Video von den Schüsse, aber auch Porträtfotos in der „Bild am Sonntag“, hieß es vom Presserat. (law/epd)