Berlin. ZDF-Doku „Kessler ist ...“ gibt Einblicke in Gysis Seelenleben. Der Politstar ist nach der Begegnung mit Michael Kessler nachdenklich.

Den Politiker kennt jeder, aber den Menschen? Gregor Gysi (68) prägt auch nach seinem Rückzug als Fraktionschef der Linken die Außendarstellung seiner Partei, er ist eine umstrittene Ikone der deutschen Politik. Man weiß über ihn, dass er ein Arbeitstier ist, dass er grandiose Reden halten kann, über sein Privatleben aber am liebsten schweigt.

Nun nähert sich der Schauspieler Michael Kessler (49) diesem Mann auf eine beeindruckende Weise: Zum Auftakt der neuen Staffel seines Formats „Kessler ist ...“ (ZDF) begleitet er den Politiker – und verwandelt sich am Schluss in ein Spiegelbild Gysis.

Ein Arbeitstier, das eine Rolle spielt

Gysi war für Kessler eine seiner härtesten Rollen, wie er im Gespräch mit dieser Redaktion sagt. „Die Schauspieler, Künstler, Sportler, die wir schon in unserer Sendung hatten, spielen alle eine Rolle. Aber bei Politikern ist es nochmal extremer. Die wissen bis zum letzten Komma, was sie sagen wollen und worüber sie nicht sprechen möchten.“ Um den Menschen Gysi zu begreifen, tauchte Kessler tief ein in dessen Persönlichkeit, traf sich mit dessen Schwester und einer Schulfreundin.

Er sagt, Gysi sei vor der Ausstrahlung der Sendung nervös. Der Politiker wird heute Abend sehen, wie seine Jugendfreundin seinen Humor lobt, der ihn schon immer ausgezeichnet habe. Sie erzählt auch, dass der Ostberliner lange dafür gekämpft habe, aus dem Schatten seines bekannten Vaters zu treten, der in der DDR Kulturminister war. Gregor Gysi habe sich verändert, seitdem er in der Politik Karriere gemacht hat, er wisse sich in seiner Freizeit kaum zu beschäftigen und neige zur Oberflächlichkeit.

Kessler bringt Menschen dazu, sich zu öffnen

Michael Kessler hat hinter die Fassade des Mannes geschaut. „Es gibt den Menschen Gysi und den Politiker Gysi. Ich glaube, dass er zwischen diesen beiden Figuren eine sehr scharfe Trennlinie zieht. Und dass er sehr stark in seiner Politikerrolle aufgeht – der Mensch kommt oft zu kurz.“ Kessler hat ein Talent dafür, Menschen dazu zu bringen, sich ihm zu öffnen. Einmal war der Musiker und WDR-Moderator Götz Alsmann Gast bei „Kessler ist ...“. Als die beiden über Alsmanns Vater sprachen, fing der sonst so kon­trollierte Münsteraner an zu weinen. „Das hätte ich nie erwartet“, sagt Kessler. „Viele Promis drehen sich wahnsinnig um ihre Berufe, sie opfern viel, um ihrem Beruf nachgehen zu können.“

Im finalen Interview verwandelt sich Kessler in einen Doppelgänger seines Gastes, Gysi befragt quasi sich selbst. Der Politiker muss sich unangenehme Wahrheiten anhören. „Im Grunde“, sagt Kessler in seiner Gysi-Verkleidung, „bin ich ein Terminjunkie. Ohne Rücksicht auf meine Familie, auf meine Freunde, auf mich.“ Der echte Gysi nickt nachdenklich. Dann stellt er eine Frage, die tief blicken lässt in sein Seelenleben: „Wenn du dich entscheiden musst, entweder privat glücklich zu sein oder beruflich-politisch – wofür würdest du dich entscheiden?“ Gysi ist zweimal geschieden. In Gegenwart seines Ebenbildes resümiert er: „Das Wichtigste im Leben ist die Liebe. Aber es gibt Momente, da vergisst man das. Und dafür bezahlt man.“

Sendetermin: Donnerstag, 21. Juli, ZDF, 23.15 Uhr