Berlin. Anne Will lud zum Türkei-Talk in der ARD. Mit dabei: Präsident Erdogans bester Mann in Deutschland. Den Applaus brachte er selbst mit.

Fatih Zingal gehört zum festen Personal in deutschen Talkshows, wenn es dort um die Türkei im Allgemeinen oder deren Präsident Recep Tayyip Erdogan im Besonderen geht. Der 37-jährige Rechtsanwalt aus Solingen ist als stellvertretender Vorsitzender der Union Europäisch-Türkischer Demokraten politisch nahe bei Erdogan. Nach dem Schmähgedicht Jan Böhmermanns forderte er eine Bestrafung für den Moderator. Bei anderer Gelegenheit lobte er die Politik von „RTE“ über den grünen Klee. Zingal ist so etwas wie Erdogans Speerspitze im deutschen Fernsehen.

Bei Anne Wills Sonntagabend-Talk in der ARD saß Zingal wieder dabei. Denn die Lage in der Türkei ist das Thema der Stunde, das sogar den Massenmord von Nizza von der Talk-Agenda verdrängte.

Dem gescheiterten, weil offenbar dilettantisch geplanten Militärputsch in der Türkei folgt die „Säuberung“, wie Staatschef Erdogan es ausdrückt. In Justiz, Politik und Verwaltung wird aufgeräumt, so wurden nur wenige Stunden nach Ende des Putsches an die 3000 Richter und Anwälte freigestellt. Ganz offensichtlich nutzt Erdogan die Gunst der Stunde und stellt in großem Stil Kritiker kalt. Es solle über die Wiedereinführung der Todesstrafe diskutiert werden, ließ er bereits wissen. Der Putschversuch – für den Präsidenten war er „ein Geschenk Gottes“, wie er freimütig bekannte. Die Stunde der Abrechnung ist offenbar gekommen.

Röttgen: „Jetzt beseitigen wir alle Staatsfeinde“

Was sagte Fatih Zingal dazu? „Die gesamte türkische Bevölkerung war auf den Straßen. Schulter an Schulter. Es war eine Sternstunde der Demokratie.“ Klingt vielleicht ein wenig zu pathetisch, aber gut, das sieht man ja auch im Westen so: Alles ist besser als ein Militärputsch in einem Nato-Land. Doch wie sieht es aus mit der harschen Reaktion der Erdogan-Administration? Ist das vielleicht auch eine Sternstunde?

Die entlassenen Richter und Anwälte – für Zingal sind das „Suspendierungen als Vorsichtsmaßnahme“. Es hätten sich da „Parallelstrukturen“ in den türkischen Behörden gebildet, die den Putsch unterstützt hätten. Er wolle nicht wissen, was geschehen wäre, wären in einem westeuropäischen Land Panzer in der Stadt aufgefahren und Militärjets im Tiefflug über die Hauptstadt gejagt, so Zingal. Und der Todesstrafen-Plan? Nun ja, darüber solle doch in aller Ruhe geredet werden, habe Erdogan schließlich gesagt, man werde nicht sofort entscheiden. Kein Grund zur Panik, also.

Für den Grünen-Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir war spätestens an diesem Punkt Schluss: Ein Land, dass da darüber diskutiere, die Todesstrafe wieder einzuführen, so Özdemir, „das kann überall Mitglied sein, aber nicht in der Europäischen Union“. Und auch CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen hielt dagegen. Zingal versuche mit „Behauptungen auf verschwörerischer Grundlage“ Erdogans „rechtsstaatswidrige“ Aktionen zu rechtfertigen. Motto, so Röttgen: „Jetzt beseitigen wir alle Staatsfeinde.“