Köln. Um mehr junge Zuschauer zu gewinnen, schafft der Sender WDR Platz. Neu im Programm: eine Sitcom mit Bill Mockridge und ein Talkformat.

Der Westdeutsche Rundfunk will sich verändern – und opfert dafür etablierte Sendergesichter. In den nächsten Monaten mustert der Sender nach 20 Jahren zwei Talk-Klassiker aus: Im September läuft „Zimmer frei“ zum letzten Mal, Ende des Jahres dann Jürgen Domians nach ihm benannter Nacht-Talk. Stattdessen sollen neue Formate gezielt junge Zuschauer ansprechen. Wie geht es weiter?

Die Kölner setzen auf Seelenstrip und Comedy

Einen Vorgeschmack auf künftige Innovationen gab es schon im vergangenen August. Mehr als 20 neue Sendungen testete der WDR damals innerhalb von zwei Wochen. Die Doku-Comedy „Das Lachen der Anderen“ mit Micky Beisenherz und Oliver Polak läuft bereits erfolgreich weiter. Jetzt steht fest, welche beiden Sendungen es darüber hinaus ins reguläre Programm geschafft haben: zum einen „Die Runde Ecke“. Das Konzept ist so einfach wie wirkungsvoll: Ein Mensch stellt sich auf eine Bühne, erzählt dem Publikum zehn Minuten lang seine Lebensgeschichte – und gibt bestenfalls viel von sich preis. Eine Parallele zu „Domian“.

Die zweite Neuheit ist „Die Mockridges“, eine Sitcom um die reale Familie von „Lindenstraßen“-Urgestein Bill Mockridge. Der Schauspieler und Stand-up-Comedian kanadisch-britischer Herkunft, seine Frau Margie Kinsky und seine sechs Söhne lassen sich bei ihrem chaotischen Familienleben daheim in Bonn filmen. Ein Fernsehpromi, der sich selbst spielt – das erinnert an die Sat.1-Serie „Pastewka“. Wann genau die beiden Reihen ausgestrahlt werden, steht noch nicht fest. Auch ein neues Reportageformat soll es geben.

Dass der WDR das jüngere Publikum durchaus erreichen kann, beweist Carolin Kebekus mit ihrem „Pussy Terror TV“. Die Show der 36-jährigen Komikerin war beim WDR so erfolgreich, dass sie ab September ins Erste abwandert.

Viele Abschiede in vergangenen Wochen

Bereits in den vergangenen Wochen mussten WDR-Stammzuschauer mehrfach Abschied nehmen. Im Mai führte Ludger Stratmann nach 15 Jahren zum letzten Mal durch die Kabarettshow „Jupps Kneipentheater im Pott“, Anfang Juni fiel das „NRW-Duell“ mit Bernd Stelter der Programmreform zum Opfer. Dass der WDR etablierte Formate aussortiert, kommt nicht überall gut an. „Zimmer frei“-Moderatorin Christine Westermann (67) kritisierte: „Der Sender setzt jetzt auf die 35- bis 50-jährigen Zuschauer, diesem Alter sollen auch die Fernsehgesichter entsprechen.“ Es sei „ein bisschen schade, dass für den Sender eher die Zahl der Jahre zählt und nicht, was für ein Mensch dahintersteht“.

Doch wollen die Kölner alle Altersgruppen erreichen, müssen sie handeln. Nur ein Drittel der unter 60-Jährigen schaltet den Fernseher eigens für den WDR ein, ergab eine Umfrage. Mehr als die Hälfte der Befragten würde den Kanal gar nicht vermissen. Im Durchschnitt sind die Zuschauer 64 Jahre alt. So kann es nicht weitergehen, glauben die Verantwortlichen. Es sei „Zeit für Neues“, sagt Sendersprecherin Annette Metzinger dieser Zeitung. Das Programm müsse sich weiterentwickeln.

Für „Zimmer frei“-Fans verspricht Metzinger immerhin ein Trostpflaster: „Christine Westermann und Götz Alsmann werden sich im September nach einer beeindruckend langen Zeit von 20 Jahren mit einer großen Jubiläumsshow von den Zuschauern verabschieden, darauf haben wir uns gemeinsam mit den Moderatoren verständigt.“