Berlin. Die bestürzende Geschichte eines Lügners und eine Tragödie unserer Zeit: Arte zeigt das Drama „Ein perfektes Leben“ mit Daniel Auteuil.

Was für ein Vorzeigeleben: Er ist erfolgreicher Arzt, ein toller Freund und guter Ehemann. Doch der scheue Blick, das geduckte Auftreten verraten ihn. Jean-Marc Faure ist ein Lügner. Sein perfektes Leben hat einen eklatanten Schönheitsfehler: Job und Karriere gibt es gar nicht. Davon handelt „Ein perfektes Leben“ (Mittwoch, 29. Juni, 20.15 Uhr, Arte).

Dass etwas nicht stimmt mit ihm, zeigen schon seine traurigen Augen und die Einsamkeit der Schauplätze. Die Zuschauer sehen Faure – gespielt vom großartigen französischen Star-Schauspieler Daniel Auteuil – allein auf Autobahnrastplätzen, im leeren Haus, beim Aufnehmen einer Abschiedsvideobotschaft. Dazwischen trostlose Winterlandschaften. Eine beklemmende Situation entsteht, die der Zuschauer zunächst nicht versteht.

Tage im Auto oder am Flughafen

Dass Regisseurin Nicole Garcia Informationen vorenthält, ist allerdings kein billiger Trick zur Spannungserzeugung, sondern kluge Dramaturgie: So vermittelt sie die Allgegenwart des Geheimnisses, mit dem dieser Mann lebt.

Der Film, der nie im deutschen Kino zu sehen war, beruht auf dem wahren Fall um Jean-Claude Romand. Romand konnte über fast zwei Jahrzehnte seine Umwelt darüber täuschen, dass er gar keinen Medizinabschluss, gar keinen Job hatte. Sein Leben war ein komplettes Lügengespinst. Als seine Familie Verdacht schöpfte, wurde er zum Mörder. Den Weg dorthin arbeitet der Film feinfühlig und akribisch nach.

Statt zur Arbeit aufzubrechen, verbringt Jean-Marc Faure seine Tage im Auto oder am Flughafen mit der plausiblen Geräuschkulisse für Telefonate mit der Gattin.

Der Betrug höhlt ihn aus

Wie aber kann Faure mit den reichen Freunden mithalten, ein Haus kaufen, ein neues Auto? Mit ausreichend Fantasie und krimineller Energie kein Problem: Er hebt Geld vom Konto seiner Eltern ab und veruntreut enorme Summen, die ihm der Schwiegervater zum Anlegen überließ.

Er redet sich ein, sein Betrug ermögliche ihm, der Familie alles zu bieten. Doch dieses Leben höhlt ihn aus: In Wahrheit kann Faure nicht mehr lieben, reißt Frau und Kinder mit in den Abgrund.

Eine „narzisstische Persönlichkeitsstörung“ wurde der realen Figur attestiert. Doch die Diagnose greift hier zu kurz. Die filmische Umsetzung zielt auch darauf ab, das Bild eines Mannes zu zeigen, das hier in einem quälend langsamen Kurzschluss implodiert.

Pflichtdenken, Geltungssucht und sozialer Rollendruck

Ein aktuelles Thema, wie es jüngst auch die US-Serie „Breaking Bad“ durchspielte. Ein Thema, das vielen bekannt sein dürfte: Pflichtdenken, Geltungssucht und sozialer Rollendruck führen zu einem inneren Amoklauf. Das Seelenleben kommt zum Stillstand unter diesem Druck, das Ich erkaltet – und Gewalt staut sich auf.

Fazit: Die bestürzende Geschichte eines Mannes, der es seiner Welt recht machen will und sie dabei zerstört, wird zur Tragödie unserer Zeit. Ein Dasein inmitten eines Lügengespinstes stimmt auch nach dem Abschalten noch nachdenklich.

• Mittwoch, 29. Juni, 20.15 Uhr, Arte: „Ein perfektes Leben“