„Panorama“ war eines der ersten politischen Magazine im deutschen Fernsehen. Moderatorin Anja Reschke blickt zurück – und auch voraus.

Ein Mann mit Vollbart blickt ernst in die Kamera. Er spricht über Einwanderer. „Die Probleme“, sagt er, „sind schon so groß, dass weitere Einwanderung unterbunden werden sollte“. Der Mann ist britischer Nationalist und spricht mit einem Reporter der ARD-Sendung „Panorama“. Es ist der 4. Juni 1961. Es ist der erste Beitrag der ersten Sendung – doch das Thema bis heute aktuell. „Nur der Ton war damals noch zurückhaltender“, findet Anja Reschke.

Wenn die 43-Jährige jetzt vor die Kamera tritt, gibt es doppelten Grund zur Freude. Das Politmagazin „Panorama“ feiert 55-Jähriges, Reschke ihr 15. Jahr als Moderatorin. Dass sie mal als Redaktionsleiterin an der Spitze eines der wichtigsten TV-Magazine des Landes stehen würde, hatte sich Anja Reschke als Kind nicht erträumt. „Für mich war das früher eine Sendung mit alten Männern, die irgendwas erzählen.“

Kohl beschimpfte „Panorama“ als Vaterlandsverräter

Dabei war die Sendung bei ihrer Gründung durch Rüdiger Proske und Gert von Paczensky für das deutsche Fernsehen geradezu revolutionär. „Am Anfang bestand das Programm ja vorrangig aus eher Seichtem, viel Tanztee und Heimatfilme“, sagt Reschke. Plötzlich wurde im Fernsehen Politik hinterfragt, Unternehmen kritisiert. Nicht ohne Gegenwind. So wurden 1962 zum Beispiel „Panorama“-Reporter festgenommen, weil sie einen Lehrer als ehemaligen KZ-Aufseher entlarvten. Ein Redaktionsleiter nach dem anderen musste in den Anfangsjahren gehen – doch die Sendung blieb. 1978 trat Baden-Württembergs damaliger Ministerpräsident Hans Filbinger auch wegen eines „Panorama“-Beitrags zurück. Und Helmut Kohl warf der Redaktion 1999 „Vaterlandsverrat“ vor, nachdem sie über den CDU-Bestechungsskandal berichtet hatte.

Aber gerade solche Konflikte sind wichtig, findet Reschke. „,Panorama‘ und andere Politmagazine haben die Bürger mündiger werden lassen.“ Doch während es früher vor allem Politiker und Wirtschaftsbosse waren, die im Fokus standen, gerät inzwischen Reschke selbst in Bedrängnis. Nach einem Kommentar in den „Tagesthemen“ gegen Ausländerfeindlichkeit im vergangenen Jahr wurde sie massiv beleidigt und bedroht. „Der Hass hat mich schon überrascht“, sagt sie. „Dass es jetzt Menschen gibt, die unser ganzes demokratisches System infrage stellen, hätte ich nicht erwartet.“ Diese Entwicklung habe auch Einfluss auf die Sendung. „Wir müssen noch mehr erklären, auch die Mechanismen dahinter beleuchten. Kategorien wie gut und böse gibt es nicht mehr“, sagt Reschke. Früher hätten Journalisten vielleicht zu schnell abgeurteilt oder von oben herab berichtet – das aber dürfe nicht sein.

Der Blick auf die erste „Panorama“-Sendung von 1961 zeigt, dass sich Gesellschaften ändern, aber Themen bleiben. Ob „Panorama“ auch in 55 Jahren noch über Einwanderung und Integration berichtet? „Es wird immer darum gehen, wie Menschen zusammenleben, wie wir uns organisieren und welche Werte wir vertreten“, sagt Reschke. Nur eines weiß sie ganz sicher: „In 55 Jahren werde ich nicht mehr moderieren.“

Donnerstag, 23. Juni, ARD, um 21.45 Uhr.