Berlin. Lange plätscherte der Talk von Maybrit Illner zur Terrorbedrohung während der EM vor sich hin. Nur einmal wurde es richtig spannend.

Viel Panikmache, viel Front National und AfD — dafür aber wenig Neues. Maybrit Illners Gesprächsrunde ließ am Donnerstagabend einen Fernsehzuschauer zurück, der am Ende selbst nicht mehr wusste, ob er sich auf die EM freuen oder Angst haben sollte. „Frankreich im Ausnahmezustand – zwischen EM-Fieber und Terror-Angst“, lautete das passende plakative Thema des ZDF-Talks, an dem sich die Teilnehmer der Gesprächsrunde schnell abarbeiten. Was daraus wurde, wirkte wie ein mühsames Aufkochen von kaltem Kaffee, der auch beim dritten Schluck nicht genießbar wurde.

„Wie groß ist die Gefahr von Anschlägen? Wie sicher ist man als Besucher der Spiele?“, wollte Maybrit Illner gleich zu Beginn der Sendung von ihren Gästen wissen. Sie redete in Anbetracht der 90.000 Sicherheitskräfte, die rund um die EM im Einsatz sind, von einem „Hochsicherheitsturnier“ und befand, dass sich bei dieser EM andere Fragen aufdrängen als die, wer denn nun am 10. Juli beim Finale zum Europameister im Stade de France gekürt wird. Ausgerechnet jenes Stadion, in dem am Freitag, dem 13. November 2015, Frankreich gegen Deutschland spielte, als plötzlich ein lauter Knall die Aufmerksamkeit weg von dem Spiel ziehen und sie fortan auf den Terror lenken sollte.

Runde lässt Zuschauer kurz aufatmen

Man könne sich den Spaß am Fußball nicht verderben lassen, meinte dagegen der ZDF-Sportmoderator Jochen Breyer, der die EM-Stadien im Vergleich zum Public Viewing für sicherer hält. Anschläge könnten ja schließlich überall passieren, sagte Ulrich Wickert. Und hundertprozentige Sicherheit, so der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann, könne man ja nirgendwo garantieren.

Was Maybrit Illners Gäste sagten, hat man so oder so ähnlich schön öfter gehört. Dass der IS die EM ins Visier genommen habe. Dass er für die Zeit des Fastenmonats Ramadan Anschläge angekündigt hat. Aber dass man eben nichts von einer „konkreten Bedrohung“ wisse, wie es auch Oppermann noch einmal deutlich macht. Hat der Zuschauer vorher den Eindruck gewonnen, dass er die EM lieber vor dem Fernseher schauen sollte, konnte er hier ein erstes Mal aufatmen – wenn auch nur kurz. Danach verwies der Terrorismusexperte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik darauf, dass sich die Sicherheitslage deutlich verschlechtert habe, seitdem „Hunderttausend Menschen unkontrolliert nach Westeuropa“ reisen konnten.

Zudem sei Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden europäischer Länder schlecht. Besonders die Franzosen hätten sich bei der Sicherheitsplanung zu der EM regelrecht abgeschottet, sagte Steinberg. „Die Franzosen nehmen uns in der Sicherheitspolitik immer noch nicht ernst. Sie sehen sich immer noch als Siegermacht, als Atommacht. Sie sehen, wie wir Sicherheitspolitik machen.“, sagte er und fasst die Situation in einem Satz zusammen: „Wir haben zwar gemeinsame Außengrenzen, aber keine gemeinsamen Datenbanken.“

Oppermann: Bald tägliche europäische Lagebesprechung

Das soll sich laut dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann bald ändern. Man arbeite daran, die Kommunikation zwischen den Ländern zu verbessern. Auch wolle man die Voraussetzungen für eine „europäische Lage“ schaffen, „wo jeden Tag gefährliche Situationen besprochen werden können“, sagte er. Ob das tatsächlich hilft? Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamten, André Schulz, zweifelt daran. Er sagte, dass es der Polizei bereits jetzt schwer falle, die 500 islamistischen Gefährder in Deutschland detailliert zu überwachen, weil sie schlichtweg überlastet sei.

Dann begaben sich Illners Gäste endlich auf Ursachenforschung. Die deutsch-jüdische Bestsellerautorin Gila Lustiger, die seit fast 30 Jahren in Paris lebt, erzählte, dass die meisten der an den Anschlägen in Paris beteiligten Terroristen „soziale Verlierer“ seien, die die „Gesellschaft für ihre Niederlagen verantwortlich machen“ würden. Auch wenn das nicht der Hauptgrund dafür sei, warum sich junge Menschen radikalisieren lassen. Dieser sei, wie der Islamwissenschaftler Steinberg findet, in der Ideologie des IS zu finden. „Die Idee eines Idealstaates nach dem Propheten ist für sie ungeheuer attraktiv“, sagte er. Lustiger verweist dennoch auf die seit März andauernden sozialen Unruhen im Land, die nicht zuletzt der rechtspopulistische Front National in die Karten spiele, um Stimmung gegen Muslime zu machen.

Nationalhymnendebatte kurz angerissen

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Die Parallelen zwischen dem Front National und der AfD scheinen einfach zu groß zu sein, um darüber nicht zu sprechen. Schließlich bediene sich die AfD Muster des Front Nationals in Frankreich. Auch dort habe es Diskussionen darüber gegeben, ob Nationalspieler die Hymne des Landes mitsingen sollten oder nicht, wie Sportjournalist Breyer schildert. Er hält das für unsinnig und bringt es auf den Punkt: „Welchen Zusammenhang gibt es zwischen dem Singen der Nationalhymne und dem Sich-Deutsch-Fühlen?“ In den 70ern habe niemand die Hymne mitgesungen.

Gerade, als die Diskussion spannend wurde, war sie schon wieder vorbei. Dieses Thema wäre womöglich spannender gewesen als eine Terror-Debatte, die schlechter schmeckt als kalter Kaffee. Man kann es aber auch abhaken wie Ulrich Wickert: „Es gibt viele bescheuerte Forderungen.“

Die Sendung online im ZDF-Angebot: Maybrit Illner.