Washington. Ein TV-Comedian hat in den USA eine Inkassofirma gegründet – doch statt die Schuldiger zu drangsalieren, übernahm er deren Schulden.

Wie es ist, von Inkassofirmen verfolgt zu werden, die mit rüden Methoden Schulden eintreiben, wissen mehr als zehn Prozent der Amerikaner: Mehr als 40 Millionen Bürger stehen nach Zahlen staatlicher Verbraucherschützer bei den Unternehmen in den Büchern. Wie viel Schindluder in der Branche getrieben wird, hat jetzt der scharfzüngigste Talkshow-Moderator im US-Fernsehen entlarvt – auf ebenso aufklärerische wie amüsante Weise.

In seiner beim Sender HBO ausgestrahlten und danach via Internet millionenfach verbreiteten Show „Last Week Tonight“ hat der TV-Comedian John Oliver unbeglichene Arzt-Rechnungen von 9000 Amerikanern in Höhe von 15 Millionen Dollar (13,2 Millionen Euro) auf einen Schlag getilgt.

60.000 Dollar, 9000 Betroffene

Oliver ließ im Bundesstaat Mississippi – ganz legal – für eine Gebühr von 50 Dollar eine Geldeintreiber-Firma gründen. „Central Asset Recovery Professionals“, kurz CARP, was im Amerikanischen auch für Karpfen steht, erstand darauf für den Spottpreis von 60.000 Dollar die besagten Schuldtitel inklusive intimer persönlicher Informationen der 9000 Betroffenen, die meist aus Texas stammen.

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Der Fernsehmann hätte nun, obwohl das Gros der Schulden längst verfallen war, den üblichen Terror veranstalten können, für den etliche Inkassofirmen in den USA berüchtigt sind: Telefon-Schikane, Einschüchterungen, massive Bedrohungen. Solange, bis die oft sozial schwachen und schlecht gebildeten „Opfer“ aus Verzweiflung zahlen. Aber nicht so Oliver.

Stattdessen übergab er die Liste an die Verbraucherschutz-Organisation RIPMedicaldebt.org, die Spenden für die Begleichung von Schulden armer Menschen sammelt. Geschäftsführer Craig Antipo bedankte sich überschwänglich für die Aktion: „John Oliver hat ein Schlaglicht auf ein Problem geworfen, von dem nur wenige Menschen wissen.“

John Oliver deckte schon oft Missstände auf

Nicht zum ersten Mal. Seit sich der 39-jährige Brite in seiner Wahlheimat USA in den Olymp der Fernseh-Abend-Unterhaltung vorgearbeitet hat, erfährt das Publikum von Ungerechtigkeiten, Missständen und Absurditäten, die sonst so gut wie nirgends einen Platz in den elektronischen Medien finden. Belästigung im Internet, Überwachung, Folter, Transsexuelle, Flüchtlingselend, die korrupte Fifa – Oliver spart mit unüberhörbar britischem Akzent und staubtrockenem Humor nichts aus.

Um die Machenschaften von Pseudo-Evangelisten zu enttarnen, die sich auf Kosten ihrer „Schäfchen“ die Taschen voll machen, gründete der Absolvent der Universität Cambridge kurzerhand zur Veranschaulichung seine Kirche. Der Name war Programm: „Our Lady of Perpetual Exemption“ – übersetzt etwa: „Unserer Lieben Frau der ewigen (Steuer-)Befreiung“. Nach den Terroranschlägen von Paris sprach der Familienvater, der nach eigenen Worten mit seiner dickrandigen Brille aussieht „wie ein kurzsichtiger Papagei, der in einer Bank arbeitet“, Millionen aus der Seele, als er die Attentäter politisch unkorrekt als „gigantische Arschlöcher“ bezeichnete.

„Last Week Tonight“ ist Infoquelle für junge Zuschauer

Bekannt wurde Oliver als Ko-Moderator des legendären Jon Stewart in der Satiresendung „The Daily Show“, die gewissermaßen den Weg bereitet hat für die „heute show“ im ZDF mit Oliver Welke und die Beiträge von Jan Böhmermann.

In den USA gehört „Last Week Tonight“ gerade bei jüngeren Fernsehzuschauern zu den bevorzugten Informationsquellen. Nicht nur, weil dort mit oft grandiosem Sarkasmus das bigotte Gewese der großen Politik zerpflückt wird. Sondern, weil große Recherche-Teams harte politische Inhalte so umfassend bearbeiten, dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt.