Berlin. Die Ukraine feiert Jamalas Sieg als politischen Erfolg. Viele Russen sind empört. In Deutschland betreibt nur eine Partei ESC-Nachlese.
Nach dem Sieg der ukrainischen Sängerin Jamala („1944“) beim Eurovision Song Contest (ESC) in Stockholm hat die politische Instrumentalisierung des Wettbewerbs begonnen – vor allem in Russland und der Ukraine, aber auch – zumindest ein bisschen – in Deutschland.
Kritiker in Russland sehen nicht nur den Inhalt des Songs als politischen Affront, sondern wittern auch Betrug bei der Jury-Wertung. Das Siegerlied sei kein Beitrag für den gesamteuropäischen Kulturdialog, den sich der Wettbewerb auf die Fahnen geschrieben habe, sagte der einflussreiche Außenpolitiker Alexej Puschkow. Auch im russischen Staatsfernsehen wurde der ukrainische Sieg kritisiert. Jamala thematisiert in ihrem Lied die Vertreibung der Tataren von der Halbinsel Krim unter Sowjetdiktator Josef Stalin, von der auch ihre Familie betroffen war.
Die Ukraine feiert Jamala – und streitet über den Austragungsort
In ihrem Heimatland wird Jamala wie eine Nationalheldin gefeiert. Präsident Petro Poroschenko gratulierte bei Twitter: „Die ganze Ukraine dankt dir von Herzen, Jamala!“ Außenminister Pawel Klimkin lieferte neben Glückwünschen auch noch eine politische Ansage: „Die Wahrheit gewinnt immer, wie Jamala und die Ukraine heute Nacht... Und nicht vergessen, die Krim gehört zur Ukraine.“
In der Ukraine ist indessen eine Debatte um den Austragungsort für die Show 2017 entbrannt. Neben der Hauptstadt Kiew, die bereits 2005 ESC-Gastgeber war, haben auch die Bürgermeister der Großstädte Lwiw (Lemberg), Dnipropetrowsk und der Hafenstadt Odessa Ansprüche angemeldet. Vorher wurde – weniger realistisch – bereits die von Russland 2014 annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim ins Spiel gebracht – „nach einer Rückeroberung durch die ukrainische Armee“.
AfD-Bayern: ESC-Pleite Dank Chaos-Politik
Auch in Deutschland wird der letzte Platz von Sängerin Jamie-Lee Kriewitz und ihrem Song „Ghost“ von einer Partei politisch ausgeschlachtet. Der Landesverband der AfD in Bayern twitterte: „Dank Chaos-Politik gibt es nun nicht mal mehr Sympathiepunkte für uns #esc2016.“ Und erntete einen Shitstorm.
„Komisch – als es euch noch nicht gab, hat Deutschland besser abgeschnitten“, schrieb einer mit Bezug auf den AfD-Tweet. Andere machten die rechtspopulistischen Parolen der AfD selbst dafür verantwortlich, dass Deutschland im Ausland ein schlechtes Image habe: „Liegt vielleicht an euch.“
Die AfD-Bayern versuchte es mit einem Konter: ihre Gegner seien humorlos. Nahm ihnen allerdings kaum einer ab. (dpa/bnb)