Berlin. Anne Will widmete sich am Sonntag der Integration. Richtig hitzig wurde es, als Frauke Petry und das Thema Islam aufeinandertrafen.

Die Flüchtlingskrise hat gefühlt an Brisanz verloren, seitdem immer weniger Menschen in Westeuropa ankommen. Ein Nebeneffekt dieser Entwicklung ist, dass sich die Wahrnehmung verschoben hat: Statt den Grenzübergängen bei Passau interessiert derzeit wegen des Flüchtlingsabkommens und Jan Böhmermann vor allem die Türkei. Ein Aspekt aber wird langfristig auch innenpolitisch ein großes Thema bleiben: Die Frage, wie diejenigen integriert werden können, die bleiben werden.

Diesem Thema widmete sich am Sonntagabend auch Anne Will. „Integration per Gesetz – Wer soll zu Deutschland gehören?“ fragte die Redaktion mit Blick auf das umstrittene Integrationsgesetz der Bundesregierung, das sowohl Angebote wie Sprachkurse vorsieht, zugleich aber auch Sanktionen bereithält, falls die Angebote nicht wahrgenommen werden. Diskutiert wurde das Thema von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), dem Fraktionschef der Linkspartei Dietmar Bartsch, AfD-Chefin Frauke Petry, der Islamforscherin Lamya Kaddor und dem Migrationsforscher Ruud Koopmans.

De Maizière: „Wir wollen Patriotismus entwickeln“

Thomas de Maizière kam in der Debatte die Rolle zu, das Integrationsgesetz als entscheidenden Beitrag zur Lösung der neuen Integrationsaufgabe zu preisen. „Das ist hoffentlich der große Wurf“, sagte der Bundesinnenminister. Wer Integration und Patriotismus erreichen wolle, müsse auf eine aktiv Politik setzen. Die Fehler, die bei der Integration der Gastarbeiter begangen wurden, dürften nun nicht wiederholt werden.

Kritik an dem Gesetz gab es in der Runde reichlich. Islamforscherin Lamya Kaddor und Dietmar Bartsch warfen de Maizière gleichermaßen vor, dass durch die Sanktionen ein negatives Bild von Integration gezeichnet werde. „Wir nehmen im Grunde an, dass die Menschen das gar nicht wollen“, fasste Kaddor die Skepsis zusammen.

Eine eifrige Kritikerin war auch Frauke Petry, die in dem Gesetz ein Herumdoktern an Symptomen identifizierte. „Das Integrationsgesetz soll Fehlentwicklungen aus der Vergangenheit korrigieren“, kritisierte die AfD-Chefin. Statt das Asylgesetz zu reformieren und die Einwanderung zu regeln, versuche die Bundesregierung notdürftig, die Folgen „ständiger Rechtsbrüche“ zu kaschieren. So gebe es etwa eine beständige Vermischung von Asylrecht und Einwanderung. „Wer das Asylrecht missbraucht, hat kein Interesse, sich zu integrieren“, sagte Petry.

Einen Unterstützer fand de Maizière in Ruud Koopmans, der das Integrationsgesetz einen „Schritt in die richtige Richtung“ nannte. Flüchtlinge und Einwanderer seien „ganz normale Menschen“: Sie reagierten auf Anreize und Sanktionen wie andere auch, führte Koopmans aus. Daher sei „fördern und fordern“ durchaus ein effektives Mittel, um Integration anzuregen. Zugleich plädierte der Wissenschaftler für eine auf die Nützlichkeit der Menschen orientierte Politik. „Die Menschen, die sich anstrengen, müssen mit einem dauerhaften Bleiberecht belohnt werden, auch wenn sich in ihrem Heimatland die Situation wieder bessert.“

Der Islam als Integrationshindernis?

Am Ende kam die Diskussion nicht umhin, sich auch mit dem Islam zu beschäftigen. Hier prallten zunächst zwei unterschiedliche Sichtweisen aufeinander. Auf der einen Seite Migrationsforscher Koopmans, der entgegen anders lautender Forschungsergebnisse darauf bestand, dass der Islam an sich ein Integrationshemmnis sei. „In allen EU-Ländern sind Muslime ganz unten beim Arbeitsmarkt und der Bildung“, sagte Koopmans. Grund dafür sei ein konservatives Verständnis des Islams, das Integration erschwere. Islamwissenschaftlerin Kaddor stellte diesen Zusammenhang in Frage und verwies auf die USA, wo gläubige Muslime regelmäßig als mitunter am besten integriert aufgeführt würden. Die Ursache müsse daher eine andere sein als die Religion, etwa das Bildungsniveau der Menschen.

An diesem Punkt der Diskussion musste schließlich Frauke Petry die Forderungen ihrer Partei zum Thema Islam verteidigen. Dabei geriet sie ins Schlingern. Das Vorhaben etwa, den Islamunterricht in einem allgemeinen Ethikfach aufgehen zu lassen, weichte Petry kurzerhand auf: Sie persönlich sei ja im Unterschied zu vielen AfD-Anhängern dafür, dass dies grundsätzlich für jeden Religionsunterricht – also nicht nur für die Islamkunde – gelten solle, sagte die Parteichefin.

Dass es der AfD bei allen Forderungen am Ende möglicherweise gar nicht um Integration geht, machte Petrys Reaktion am Schluss der Sendung deutlich. Ob Muslime denn für sie als integriert gelten würden, wenn sie alle Forderungen aus dem AfD-Programm erfüllten, wollte Islamforscherin Kaddor wissen. „Wenn wir nicht mehr schächten dürfen und wenn wir keine Moscheen mehr hätten, sind wir dann genügend integriert, Frau Petry?“, bohrte Kaddor. Auf diese eigentlich einfache Frage reagierte Petry quälende Minuten lang mit Ausflüchten und Anschuldigungen. „Steh’ ich hier im Verhör?“, wand sich Petry. Die Schalte zu den Tagesthemen rettete sie.

Zur Ausgabe von „Anne Will“ in der ARD-Mediathek.