Einen authentischen Blick in die Welt der Diplomaten soll die neue ARD-Krimireihe bieten. In der ersten Folge geht es um eine Geiselnahme.

Erst ist es nur eine Sicherheitsübung. Dann plötzlich wird aus dem „Planspiel Tunis“ beklemmender Ernst: Bewaffnete Terroristen gelangen in die deutsche Botschaft der tunesischen Hauptstadt und bringen die Mitarbeiter in ihre Gewalt. So wollen sie islamistische Komplizen aus dem Gefängnis freipressen. Wie wird das Auswärtige Amt reagieren? Wird die tunesische Regierung auf die Forderungen eingehen? Kann der BND helfen?

Unter den Botschaftsgeiseln befindet sich auch Karla Lorenz (Natalia Wörner), die Hauptfigur der neuen Krimi-Reihe der UFA Fiction von Nico Hofmann, die fiktiv, aber nah an der Wirklichkeit hinter die Kulissen der politischen Diplomatie schauen will. Dahin also, wo in der realen Welt in mühevoll kleinteiliger Überredungskunst gegenseitige Interessen ausgelotet und hilfreiche Deals ausgehandelt werden.

Die Wirklichkeit hat die Fiktion schon überholt

Das ist als Thema sehr reizvoll, aber kein einfaches Unterfangen für ein Unterhaltungsformat, das seine Spannung naturgemäß mehr aus bildreicher Action als aus wortreichen Verhandlungen bezieht. Der Beginn ist etwas holprig – das liegt daran, dass diesmal die Wirklichkeit die Fiktion überholt hat: Der ursprünglich erste Teil „Entführung in Manila“ wurde im November wegen der Paris-Attentate verschoben und folgt nun erst als zweite Folge nächsten Samstag, 7. Mai.

So erleben wir Karla Lorenz ziemlich unvermittelt, ohne extra Einführung in die Figur. Sie reist als „Die Diplomatin“ im Auftrag des Auswärtigen Amtes durch die Welt, um in jeweils abgeschlossenen TV-Folgen deutschen Bürgern in Krisensituationen zur Seite zu stehen.

In Tunis, wo sich die Situation in der Botschaft schnell zuspitzt, ist sie bloß eine von vielen. Und vielleicht die nächste, die wie Botschafter Saalmüller (Hans-Jochen Wagner) von den Terroristen vor laufender Kamera erschossen wird. Der Film hat einige brutale Momente. Und auch die Deals, die zwischen Krisenzentrum im Auswärtigen Amt, den Unterhändlern der tunesischen Regierung und dem BND ausgehandelt werden, sind ausdrücklich unmoralisch. Als Zuschauer ist man an den Ereignissen so dicht dran wie die Kamera von Felix Novo de Oliveira, die mit ihren vielen Nahaufnahmen den Protagonisten auf die Pelle rückt.

Natalia Wörner gibt ihre Diplomatin dagegen zurückhaltend nüchtern, fast dröge. Wortkarg und kaum eine Mine verziehend, beobachtet sie die eskalierende Szene, ständig bedacht, bloß nicht zu provozieren. Erst als sie mit Esra (Halima Ilter), der einzigen Frau unter den Terroristen, alleine sprechen kann, wird klar, dass sie nicht vor Angst erstarrt ist, sondern sehr kalkuliert auf die konkrete Lage reagiert. Die in Essen geborene Muslima hat sich aus rein privaten Gründen radikalisiert. Ein Quentchen Liebe muss in einer ARD-Degeto-Produktion offenbar auch immer sein.

Fazit: Trotz einiger Ungereimtheiten ist „Die Diplomatin“ ein bemerkenswerter Versuch, diplomatische Verwicklungen unterhaltsam darzustellen.

ARD, Samstag, 30. April, 20.15 Uhr