Berlin. Die Rente ist sicher, sagte Norbert Blüm. Doch so einfach ist die Rechnung heute nicht mehr. Das zeigte sich auch bei Maybrit Illner.

„Wer heute 30 ist, der sollte sich jetzt dringend Maybrit Illner anschauen“, hatte Claus Kleber die Zuschauer im „heute journal“ aufgefordert. „Länger schuften, mehr vorsorgen?“ lautete dort anschließend das Thema, und der angesprochene 30-Jährige hätte sich dazu auch schon Anne Will vor anderthalb Wochen anschauen können („Heute kleiner Lohn, morgen Altersarmut – Versagt der Sozialstaat?“). Oder Frank Plasbergs „Hart aber fair“ am letzten Montag („Heute jung, morgen arm – schuften für eine Mini-Rente?“). Die Altersversorgung ist aktuell ein Groß-Thema. Aber sie ist auch: kompliziert, komplex und nicht immer lohnend.

Ohne Maybrit Illners magentafarbenen Blazer wäre es in der Sendung am Donnerstagabend sehr düster zugegangen. Und die Erkenntnisse aus der Runde dürften Klebers jungen Zuschauer oft frustriert haben. Die Thesen der sendung im Überblick:

• Vorsorge ist viel zu kompliziert: Ein 24-jähriger Bau-Ingenieur macht sich mit Finanzzeitschriften und weiteren Studien im Netz intensiv schlau, um unter 1500 verschiedenen Modellen den geeigneten Riester-Vertrag zu finden – und bis ins Kleingedruckte zu durchforsten. Und muss dann feststellen, dass die Versicherung die Anlage umschichtet und der Vertrag doch nicht das ist, was er wollte.

Wenn schon der Akademiker Patrick Irlsperger bei Illner solche Probleme hat, wie sollen da weniger gebildete Menschen durchsteigen? Sein Vertrag ruht jetzt, wie jeder fünfte der mehr als 16 Millionen Riester-Verträge.

• Viele dieser Verträge sind Mist: Einen Lösungsansatz hatte Carsten Linnemann, Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung. Das Prämiensystem für die Vermittler müsse umgestellt werden, damit die nicht nur ans schnelle Geld denken, sondern an das Wohl des Kunden: „Vermittler bekommen bei Abschluss 100 Prozent. Die darf man nur dann bekommen, wenn ein Vertrag erfolgreich verläuft, sonst sind die Kunden alleine gelassen“, fordert Linnemann Es gebe viele schwarze Schafe in der Branche.

Axel Kleinlein, Chef des Bundes der Versicherten, ging weiter: „Wer nur Mist im Baukasten hat, kann nur Mist verkaufen.“ Er führte die Verträge an, bei denen man „methusalemmäßig alt“ werden muss, um auch in den Genuss des eingezahlten Geldes zu kommen. Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise verteidigte: Die Verträge erzielten trotz Niedrigzinsen immerhin positive Renditen. Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht störte sich an den Provisionen überhaupt: „20 Prozent – bei der gesetzlichen Rente sind die Verwaltungskosten ein Zehntel davon!“

• Wir werden länger arbeiten: Es ging bei Illners Runde nur am Rande ums Renteneintrittsalter. „Meine Generation weiß, dass wir die Rente bekommen und gleichzeitig noch ein bisschen arbeiten werden“, so Unions-Wirtschaftsmann Linnemann, einer der Initiatoren der Flexi-Rente, die genau das vorsieht: „Wir brauchen den Paradigmenwechsel und Anreize.“ Er schob nach: „Denen, die das nicht können, müssen wir natürlich helfen.“

• Die Angst bei den Älteren ist schon da: Reinigungskraft Petra Vogel (57) aus Bochum ist eine von denen, die wohl nicht länger wird arbeiten können: „Sie haben in dem Beruf Rücken, sie haben Knie, es geht alles kaputt.“ 730 Euro Rente habe sie nach 41 Jahren Berufstätigkeit zu erwarten, in die Betriebsrente zahlt sie nicht mehr ein, weil das Geld angerechnet würde auf die Grundsicherung. Sie sagte: „Ich freue mich nicht auf die Rente. Am sozialen und kulturellen Leben in Deutschland werde ich nicht mehr teilhaben können.“ Und im Krankenhaus gehe es vielen wie ihr: „Wir Älteren haben alle Angst vor dem Rentenalter.“

• Ein bisschen Nachbesserung kommt: Wieso mit kleinem Einkommen riestern, wenn die Riester-Rente im Alter voll auf die Grundsicherung angerechnet wird? Im Herbst komme der Gesetzesentwurf, um daran etwas zu ändern, sagte Linnemann: „Es kann nicht sein, dass jemand privat vorsorgt und nicht mehr hat als jemand, der nichts gemacht hat.“ Das war seine Replik auf den Vortrag von Reinigungsfrau Vogel, die die private Vorsorge auf Eis gelegt hat.

• Die Politik traut sich selbst nicht: Es ging viel um Provisionen und schlechte Verträge – wieso also nicht einen Staatsfonds private Vorsorge der Bürger anlegen lassen? Linnemann warnte dringend: „Wenn die Politik Geld hat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es für etwas anderes verwendet wird.“ Zugleich mahnte er Vertrauen an. Gerade sei doch erst Halbzeit bei der Riesterrente. „Da ist es wie beim Fußballspiel, man schaut da, wo man nachjustieren muss für die zweite Hälfte.“ Wer kurz vor der Auswechslung steht, wird das weniger entspannt sehen.

• Die Versicherer haben gerade schlechte Karten: „Ohne Zinsen machen das Sparen und die Altersversorgung keinen Spaß“, sagte Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise zur Niedrigzinssituation. Also blieb ihm nur der Appell: „Die Menschen müssen Eigenvorsorge betreiben, auch wenn es keinen Spaß macht. Man muss dann noch mehr zurücklegen.“

• Privatvorsorge schafft ungewöhnliche Allianzen: „Sparfähigkeit“ sei bei kleinen Einkommen nicht gegeben, beklagte auch Allianz-Mann Heise und machte sich kurzzeitig zum Anwalt dieser Menschen. „Die Politik muss bei den niedrigen Einkommen bei der Steuer- und Abgabenbelastung ansetzen.“ Auf Illners direkte Nachrufe, wie er zu höheren Löhnen stehe („11,40 Euro sind nötig, um bei der Rente Grundsicherungsniveau zu fallen“), sank seine Begeisterung. Die Effekte des Mindestlohns seien zwar „sehr moderat“ gewesen, aber: „Man muss da vorsichtig sein.“

• Die „Rolle rückwärts“ hatte keine Chance: Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht ging oft zurück an die Riester-Anfänge, um dann von Illner vorgeführt zu bekommen, dass da auch nicht alles gut war. Die Linke stellte dennoch das mehrsäulige Rentensystem in Frage, bei dem die Riester-Sparer die „Goldesel der Versicherungsbranche“ seien und Rente in Dividenden umgewandelt worden sei. Wagenknecht rechnete vor, dass es einen Durchschnittsverdiener 35 Euro mehr im Monat koste und ihm 150 Euro zusätzlichen Rentenanspruch bringe, wenn die Rente bei 53 Prozent auf dem Niveau vor Riester stabilisiert werde. „Das ist die Rolle rückwärts“, sagte Illner.

• Die Rente ist sicher nicht das einzige Problem: Derzeit wird in der Politik nur von der Rente gesprochen – Versicherungsmann Heise weitete aber bereits den Blick: „Wir werden wahrscheinlich sehen, dass die Krankenversicherungsbeiträge kräftig ansteigen.“

Darüber können sie sich dann die Köpfe heiß reden: Bei Anne Will, Frank Plasberg, Maybrit Illner...

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