Berlin. Das Psychodrama „Brief an mein Leben“ zeigt nach Erinnerungen Miriam Meckels den tiefen Fall einer Powerfrau. Die Liebe gibt ihr Halt.

Sie kann den Koffer kaum noch heben. Der Knöchel knickt zur Seite, als sei er aus Gummi; sie stürzt auf den Asphalt. Aber liegen bleiben zählt nicht. Stattdessen: aufstehen, rein ins Taxi und weiter auf der Überholspur. Antonia, genannt Toni, hetzt um die Welt, bereist Klimakonferenzen, arbeitet nachts unbeantwortete E-Mails ab. Irgendwann bricht sie zusammen und weist sich selbst in eine Klinik ein. Diagnose: Burn-out. „Was gefällt Ihnen denn nicht an dem Begriff?“, will die Klinikleiterin wissen. „Seine Lifestyle-Anmutung“, antwortet Toni. Leistungsgesellschaft, Multitasking, Burn-out.

Toni verhält sich wie in einer Autowerkstatt: „Reparieren bitte!“

Der 90-minütige Film „Brief an mein Leben“ beruht lose auf der gleichnamigen Vorlage von Miriam Meckel, heute Chefredakteurin der „Wirtschaftswoche“, einst Regierungssprecherin, Staatssekretärin und jüngste Professorin Deutschlands. 2010 erschien ihre sehr persönliche Lebensbilanz, in der Meckel schonungslos über ihren fünfwöchigen Klinikaufenthalt im Allgäu berichtete. Regisseur Urs Egger (Buch: Laila Stieler) hat die Vorlage für das ZDF verfilmt. Für die Rolle der Toni habe sich Regisseur Egger keine andere als Marie Bäumer vorstellen können sagt er. Dreimal hat er bereits mit ihr zusammengearbeitet.

Hingebungsvoll dokumentiert „Brief an mein Leben“ die Signale, die Tonis Körper sendet und die ihrem kräftezehrenden Lebensstil geschuldet sind. Die Schweißausbrüche, Konzentrationsschwierigkeiten und die Tränen, die so gern rauswollen, aber nicht dürfen. Sie habe fasziniert, mit welcher Entschiedenheit diese Frau den Erfolg vor jede Art von Emotionalität setzt, erzählt Bäumer – auch weil diese Haltung mit der eigenen Lebenseinstellung gar nichts zu tun habe. Tatsächlich verhält sich Toni anfangs in der Klinik, als sei sie Kundin in einer Autowerkstatt: „Einmal reparieren, bitte!“

Maria Bäumers Schauspiel kann man sich kaum entziehen

Den ganzen „Psychokram“ findet sie furchtbar. Abreisen scheint die einzige Option. Zumal die Sache mit der Lebenskaputtheit auch nicht besser wird. „Ich bin so müde, ich könnte mich auf den Fußboden legen und sterben“, sagt Toni irgendwann.

Im Rückblick erfährt der Zuschauer von Tonis Leben vor dem Zusammenbruch. Von der glücklichen, aber angesichts zweier übervoller Terminkalender auch komplizierten Beziehung zu Pressesprecherin Maria (Christina Hecke), vom Tod der Mutter und anderen Verlusten. Innehalten, trauern ist bei alldem nie eine Option. Die Tränen fließen erst Jahre später in der Klinik, nach wie vor am liebsten heimlich. Marie Bäumers sehr genauem Spiel ist es zu verdanken, dass ihre Toni gleichzeitig tough wirkt und zerbrechlich, wahnsinnig interessant und nervenzersetzend anstrengend, ungesellig und hilfsbedürftig. Am Ende schreibt Toni sich selbst einen Brief: „Liebes Leben, jetzt habe ich mich schon so lange vor dir versteckt (...) Ich vermisse dich, bitte komm zurück zu mir.“ Guter Wunsch.

Fazit: Regisseur Urs Egger hat die Buchvorlage mit heiter-absurden Einsprengseln aus der Klinik gespickt, Marie Bäumer kann man sich kaum entziehen.

ZDF, Montag 25. April, 20.15 Uhr