Weimar. Wer skurrile Krimis mag, ist beim Weimarer „Tatort“ richtig. Zum dritten Mal ermitteln Christian Ulmen und Nora Tschirner gemeinsam.
Kann man seiner Schwester verzeihen, dass sie die Katze dem Schleudergang der Waschmaschine anvertraut und die Zinnfigurensammlung einschmilzt? Oder dem Bruder, dass er beim Junggesellenabschied den Verlobten zum Invaliden macht? Ein geschwisterliches Drama von antiken Tragödienausmaßen schlummert im „Tatort: Der treue Roy“. Weil wir uns aber in Weimar befinden und das Liebespaar Dorn und Lessing alias Nora Tschirner und Christian Ulmen ermittelt, ist für Schwermütiges natürlich kein Platz. Stattdessen servieren uns die Weimar-bewährten Autoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger sowie Regisseur Gregor Schnitzler eine nahezu perfekt abgestimmte Mischung aus Krimi und Komik.
Skurriles ist die Weimarer Spezialität, und das geht mit der Leiche los. Die besteht aus einem verschmorten Totenschädel und ein paar Knochen in der heißen Schlackengrube eines Stahlwerks: offenbar Überreste des Absticharbeiters Roy (Florian Lukas), einer traurigen Type, der man einen Suizid bei der Nachtschicht zutrauen würde. Aber so einen?
Suizid bei der Nachtschicht?
Immerhin gibt es mindestens zwei Menschen, die ihn zur Hölle gewünscht haben, weil er ihr Liebesglück zertrümmerte: seine Schwester Siegrid (Fritzi Haberlandt), bei der er lebte, und ihr Ex-Verlobter Karsten (Thomas Wodianka), Spitzname „Flamingo“. Der büßte wegen seines Freundes Roy ein Bein ein und verlor auch gesellschaftlich jeden Halt: Er verdingt sich als Friedhofsaushilfe mit Flachmann in der Jacke. Und was ist mit dem Provinzzuhälter Frank (köstlich: Sebastian Hülk) und seiner wasserstoffblonden Freundin Irina (Nadine Boske), die im knüseligen Wohnwagen anschaffen geht und die der arme Roy aus ihrer vermeintlichen Knechtschaft befreien wollte? Und warum schrieb er sein Tagebuch spiegelverkehrt auf Lottoschein-Quittungen?
Leiche in Schlacke am „Tatort“ Weimar
Es mangelt nicht an abgründigen Ideen, eingestreuten Gags und Schlagfertigkeitswettbewerben, für die vor allem das Duo Ulmen und Tschirner zuständig ist, das die Abteilung Beziehungskomödie besetzt. Trocken pfeffern sich die beiden Alltagsweisheiten und Goethe-Zitate an den Kopf, in Timing, Tempo und Esprit sind die Kabbeleien so putzmunter, dass der Film auch ein paar Kalauer verkraftet. Fritzi Haberlandt verfügt in ihrem Spiel als gefrustete Jungfer einmal mehr über eine kaum schlagbare tragikomische Komponente, und in einer Nebenrolle als schnöseliger Kriminaltechniker hat Matthias Matschke ein paar schöne Auftritte.
In ihren besten Momenten erinnert die Story mit ihren abstrusen Verwicklungen an das Universum der amerikanischen Coen-Brüder („Fargo“), in dem arme Tröpfe sich in heilloser Überforderung immer tiefer in den Schlamassel reiten, dabei aber stets die Haltung bewahren: Florian Lukas passt als Roy in dieses Panoptikum der unfreiwilligen Situationskomiker.
Auch hier gilt, dass der Krimi nie in Albernheiten ertrinkt, er bleibt in seinen Umrissen immer klar erkennbar. Auch wenn Spannung ganz gewiss nicht das zentrale Anliegen der Weimar-Reihe ist. Vielleicht ist diese Mixtur kein Vergnügen für die Masse, die auf Münster schwört, wenn’s lustig sein soll. Weimar aber bietet subversiven Spaß mit doppeltem Boden.
Fazit: Wer abseitigen Humor im Krimi hasst: Finger weg!
• Sonntag, 24. April, ARD, 20.15 Uhr