Berlin. Ungewohnte Fälle zu lösen ist für die Kriminalrätin Prohacek nichts Neues. Doch das gesamte Justizsystem infrage zu stellen schon.

Dieser Amtsrichter ist gnadenlos. Wer einmal erlebt hat, wie er in seinem Gerichtssaal Zeugen und Angeklagte, Frauen vor allem, vorführt, demütigt und Wort säuselnd manipulativ in die selbst belastende Falle lockt, kann nur wütend werden. So auch Kriminalrätin Dr. Eva Maria Prohacek (Senta Berger), Sonderermittlerin für Amtsdelikte. Sie beobachtet einen seiner Prozesse, weil die Schwester der Angeklagten kurz zuvor diesen Richter (Martin Brambach) in der Kantine der Justizbehörde tätlich angegriffen hatte.

Weil die Frau – glücklicherweise – städtische Beamtin ist, bekommt Prohacek die rechtliche Handhabe, sich auch die Fälle des Richters Koller näher anzusehen. Sonst wäre auch sie machtlos in ihrer Empörung: „Ein deutscher Richter ist in seinen Entscheidungen unabhängig“, bekommt sie von Vorgesetzten auch so schon ständig zu hören. Und dass gegen ihn ermittelt wird, ist verfassungsmäßig einfach nicht vorgesehen.

Im Kampf gegen die garstige Staatssekretärin

Insofern ist „Unter Verdacht: Ein Richter“ ein interessanter Politkrimi, der die Unabhängigkeit der Justiz zum Mittelpunkt des Falles macht. Das ist ungewöhnlich genug und hoch politisch. Wie da hinter den Kulissen gemangelt und geschachert wird, wie persönliche oder politische Interessen ins Spiel kommen, um die richterliche Unantastbarkeit – je nachdem – zu stützen oder zu unterlaufen, ist zudem sehr genau beobachtet und pointiert umgesetzt (besonders schön garstig Lilly Forgách als Staatssekretärin). Auch Senta Berger, stets um Höflichkeit und Fairness bemüht, überzeugt durch kluge, abgeklärte Zurückhaltung, bei der die Wut über den eiskalten Zynismus des Richters schon im flüchtigen Mienenspiel erkennbar wird. Es ist, so hat sie in einem Interview gerade angekündigt, einer ihrer letzten Fälle – nach drei weiteren „Unter Verdacht“-Folgen will die 74jährige die Reihe verlassen.

Die Szenen, in denen es direkt um die Willkür des Richters geht, sprechen ohnehin für sich. Und in dieser Hinsicht ist der Film vom Mike Bäuml (Buch) und Martin Weinhart (Regie) auch eine lange, schmerzvolle Geschichte, die ihren Zuschauerinnen viel eigene Leidensfähigkeit abverlangt – während sie sich fragen, wie viele Frauen noch so dämlich sein können, das Allmachtsgehabe charakterschwacher Männer mitzumachen. Etwas konstruiert und in den übrigen Frauenfiguren oft überzogen, musste offenbar eine verzwickte Geschichte erst die Rahmenbedingungen schaffen, um die nötige Höhe für den Fall des Richters zu legitimieren: Der Mann ist ein Sadist oder verrückt oder beides, auf jeden Fall außer Kontrolle. Ansonsten sollten sich selbst deutsche TV-Beamte an die Verfassung halten, auch in fiktiven Krimis.

Fazit: Ein interessanter Politkrimi um richterliche Unantastbarkeit und das Allmachtsgehabe von charakterschwachen Männern.

ZDF, Samstag, 23.04.2016, 20.15 Uhr